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Baptisten planen für die Zukunft

Von Vergangenheit auf Zukunft umschalten

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Sitzung des „Öffentlichen Rats“ baptistischer Kirchen in Moskau

 

M o s k a u -- Der „Öffentliche Rat“ (Obschestwenni Sowjet) der rund 10 baptistischen Denominationen Rußlands müsse von Vergangenheit auf Zukunft umschalten. Das war ein Hauptergebnis seiner 10-stündigen Sitzung in der Moskauer Zentrale der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) am 23. Oktober. In den ersten Jahren seit seiner Gründung im Juni 2006 habe sich das Gespräch über das in der Vergangenheit Vorgefallene und die Notwendigkeit der Versöhnung gedreht. Nach der Sitzung meinte Dr. Peter Sautow (Moskau), Präsident der 48-Gemeinde-starken „Russischen Assoziation Unabhängiger Evangelischer Gemeinden (RANETs auf Russisch): „Jüngeren Generationen ist die Spaltung des Baptistenbundes aus dem Jahre 1961 nicht mehr wichtig. Schon darum müssen wir neue Themen finden, die nach vorne zeigen.“

 

Er fuhr fort: „Bisher sind bei den Baptisten Tradition und Praxis bestimmend gewesen – nicht die Theologie.“ Er berichtete, die Gründung seines Gemeindebundes 1994 habe in starkem Maße damit zu tun gehabt, daß Mitglieder des Baptistenbundes diesen neuen Gemeinden auch in Detailfragen Vorschriften machen wollten. „Wir haben z.B. nur eine Predigt in unseren Gottesdiensten – nicht etwa drei.“ Die Ausführungen des RUECB-Präsidenten Juri Sipko bei dieser Sitzung schlugen in die gleiche Kerbe: „Wir haben uns versammelt, um die globalen Aufgaben breiter aufzufassen, als wir es gemäß der uns üblichen Traditionen, auf die wir in unseren Gemeinden beschränkt waren, gewohnt sind. Jeder von uns hat eine innere Reformation, eine Art innerer Läuterung, nötig.“

 

Peter Sautow ortet die angestrebte, gemeinsame Basis in der bibelzentrischen Theologie, die für Christen baptistischen Glaubens typisch sei. Ein Konzentrieren auf die Bibel werde es gestatten, zeitbedingte Ausdrucksformen und Traditionen abzustreifen und einen neuen Weg nach vorne zu bahnen. Der Rat habe auch deshalb beschlossen, einen Arbeitskreis von bis zu 10 Theologen zu bilden, der die Kernaussagen der Schrift neu herausstellen soll. Die historischen „Sieben Prinzipien“ des Baptismus (u.a. Autorität der Bibel, allgemeines Priestertum, Trennung von Staat und Kirche, Selbständigkeit der Ortsgemeinde, Abendmahl ausschließlich für erwachsene Gläubige) sollen diesem Kreis als Leitbild dienen, denn sie würden als Basis für alle Kirchen baptistischer Überzeugung fungieren können. Bei der Sitzung meinte Mikhail Iwanow, RUECB-Abteilungsleiter für Theologie und Katechismus: „Ohne erneutes Denken gibt es kein erneutes Leben. Jedem praktischen Fortschritt geht die gedankliche Einsicht voraus. Schon darum kann es kein Christentum ohne Theologie geben.“

 

Nach Sautow hieß es: „Eine neue theologische Eintracht soll uns vorantreiben.“ Aus der theologischen Einmütigkeit soll sich ein gemeinsames Aktionsprogramm für Baptisten der verschiedenen Denominationen geben. Dieses Programm soll Baptisten noch viel stärker in die Öffentlichkeit führen: „Wir möchten Brücken zu politischen Kreisen schlagen.“ Etwa im Sinne des Nationalen Gebetsfrühstücks soll der Öffentliche Rat eine öffentliche Stimme des russischen Protestantismus werden. Allerdings umfaßt das Gebetsfrühstück viele Kreise außer den rein baptistischen.

 

Dr. Sautow meinte, die von Alexander Semtschenko geschaffene WSEKh („All-Russische Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Christen“) dürfe nicht ohne weiteres als Parallelorganisation und Konkurrenz verstanden werden. Semtschenko ist Geschäftsmann und Bischof der 26-Gemeinde-starken “Union der Kirchen Evangelischer Christen” (Prokhanowtsi), die weiterhin dem Öffentlichen Rat angehört. Die WSEKh umfaßt schließlich mehr als nur baptistische Kreise. Dennoch meinte Sautow, auch Semtschenko selbst könne keinen theologischen Unterschied zwischen seinem Verein und dem Öffentlichen Rat erkennen – die Differenzen seien deshalb vor allem auf politischem und personalpolitischem Gebiet zu suchen. Die WSEKh zeichnet sich allerdings durch eine besondere Loyalität zur russischen Regierung aus.

 

Leitender Sekretär des Öffentlichen Rats ist seit Februar Alexei Smirnow, ein leitender Pastor der „Assoziation der Brüdergemeinden“ (ABC) in Dedowsk bei Moskau und Direktor der Pastorenabteilung bei der RUECB .

 

Die Kontinuität wird betont

Neuer Bundespräsident bei den nichtregistrierten Baptisten

Beim sechsten Kongreß des „Internationalen Gemeindebundes – oder Rates - der Evangeliumschristen-Baptisten“ in Tula am 7. und 8. Oktober wurde Nikolai Stepanowitsch Antonjuk (Timoschowsk, Gebiet Krasnodar) zum neuen Präsidenten gewählt und bestätigt. Sein Stellvertreter wurde Gennadi Sergeewitsch Efremow aus St. Petersburg. Somit wird Antonjuk offiziell zum Nachfolger des langjährigen „Patriarchen“ Gennadi Krjutschkow, der von 1965 bis zu seinem Ableben im Juli 2007 die Leitung innehatte. Die beiden jüngeren Männer waren bereits Anfang 2008 vorläufig in ihre Ämter berufen worden. Zu dieser turnusmäßigen „Vollversammlung“ in der Gemeinde Tula waren 750 Delegierte und Gäste erschienen; die letzte hatte vor genau vier Jahren an demselben Ort stattgefunden.

 

Gemeint hiermit ist der Kirchenbund, der sich im August 1961 vom großen „All-Unionsrat der Evangeliumschristen-Baptisten“ abspaltete und lange unter dem Namen “Rat der Kirchen der Evangeliumschristen-Baptisten“ fungierte. Seine Glieder wurden auch „Initiativniki“ oder „Untergrundkirche“ genannt, denn sie lehnten damals – wie bis zum heutigen Tage – eine offizielle, staatliche Registrierung ab. Aus diesem und anderen Gründen hat der Kirchenbund gegenwärtig u.a. in Kasachstan, Belarus und im Gebiet Kaliningrad der Russischen Föderation mit starker staatlicher Gegenwehr zu zun.

 

Auch gemeindeintern hat dieser Bund Schwierigkeiten. Im offiziellen, neuen, deutschsprachigen Bericht aus Tula (siehe „iucecb.com“) heißt es: „Jetzt haben wir verhältnismäßige Freiheit, doch die Sünde setzt seine Arbeit fort. Heute besteht die Gefahr darin, daß der Feind in unseren Reihen den Liberalismus hineinzupflanzen versucht, das heißt, ein nachgiebiges Verhalten gegenüber der Sünde. Es wächst das Verlangen zum Vergnügen und zur Bereicherung.“ Der Bericht fährt fort: Unter der Jugend drängt die Welt hinein. Sie verändert ihr äußeres Aussehen und (die Welt) lockt sie mit vielen verschiedenen Vergnügungen an.“ Doch bei den Beschlüssen wurde die Kontinuität betont: Die Diener haben „den Weg der Bruderschaft für gut befunden und das Vorhaben, auch weiterhin denselben Weg zu gehen, den man zur Zeit von Gennadi Konstantinowitsch (Krjutschkow) gegangen ist.“ Am Schluß berichtet man: „Der unwandelbare Kurs der Bruderschaft wurde wieder bestätigt.“ Krjutschkow, Vater von neun Kindern, hatte von 1970 bis 1990 im Untergrund auf der Flucht vor seinen Häschern gelebt.

 

Etwa 1966 erreichte dieser Gemeindebund seine höchste Mitgliederzahl: 155.000. Im neuen Bericht gibt er seine Mitgliedschaft im gesamten Gebiet der ehemaligen UdSSR mit 70.000 in rund 3.000 Gemeinden und Gruppen an – hinzu kommen 42.500 Kinder. Die abnehmende Zahl ist vor allem auf die starke Auswanderung zurückzuführen. Im gleichen Gebiet haben die registrierten Unionen der Evangeliumschristen-Baptisten rund 310.000 Mitglieder. (Dabei geht man in der Ukraine von zwei registrierten Bünden mit insgesamt 150.000 Mitgliedern aus.) Gemessen an der Proportion zwischen Gemeinde- und Mitgliederzahlen, ergäbe sich beim Internationalen Gemeindebund eine Mitgliedschaft innerhalb der russischen Föderation von gegenwärtig 26.000 Personen. Die RUECB, die größte einheitliche, protestantische Kirche Rußlands, vertritt fast 80.000 erwachsene Mitglieder in 1.750 Ortsgemeinden und Gruppen.

 

Dabei darf nicht vergessen werden, daß es in den GUS-Staaten auch Hunderte autonomer Baptistengemeinden gibt, die keiner der genannten Denominationen angehören. Der Internationale Gemeindebund der Evangeliumschristen-Baptisten verfügt über einen Beobachterstatus im Öffentlichen Rat.

 

Dr. phil. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 31. Oktober 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Meldung Nr. 09-34, 10.044 Wörter oder 7.846 Anschläge mit Leerzeichen.