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Einige Gedanken zum Besuch Billy Grahams in Polen

Wie eine Braut auf ihrer Hochzeit

 

In der Zelt vom 6. bis 16. Oktober 1978 stattete Billy Graham, der berühmte amerikanische Evangelist, den Kirchen der VR Polen einen offiziellen Besuch ab. Graham kam nach Polen auf Einladung der polnischen Baptisten und mit Zustimmung des hiesigen Ökumenischen Rates. Er war von 15 bis 20 Mitarbeitern begleitet. Auch diese verkündigten vor und nach dem Besuch Grahams in zahlreichen polnischen Städten.

 

Dieser Besuch war übrigens Grahams zweiter Aufenthalt In einem sozialistischen Land. Im September 1977 hatte er Ungarn besucht.

 

Natürlich konnte ich die Gespräche zwischen Graham und hohen Kirchen- und Staatsfunktionären nicht persönlich miterleben. Darum bin ich über den sachlichen Inhalt dieser Gespräche kaum Informiert. Meine Beobachtungen konnte ich dadurch sammeln, daß ich etwa die Hälfte der öffentlichen Versammlungen besuchte.

 

Positive Aspekte

Natürlich waren auch positive Aspekte durchaus vorhanden. Erstens halte ich den ökumenischen Aspekt für erfreulich. In Polen scheint das Evangelisationsanliegen als Sammelfaktor der Kirchen zu dienen. Graham führte zahlreiche Gespräche mit hohen Amtsträgern der katholischen Kirche. Auf der Eröffnungsveranstaltung am Vormittag des 7. Oktober in Warschau waren wohl sämtliche in Polen zugelassene Kirchen vertreten. Graham sprach ausgerechnet in Polen das erste Mal in einer römisch-katholischen Kirche. Polen ist ja im allgemeinen für ein noch nicht so gutes Verhältnis zwischen Katholiken und Protestanten bekannt.

 

Zweitens fühlten sich die „Massen" der Christen pietistischer Prägung ermutigt und gesegnet durch den Besuch des „ehrenwerten" Gastes. Die Massen solcher Gläubiger ließen und lassen sich für Billy Graham begeistern. (Ich bin mir darum bewußt, daß meine Meinung die Meinung eines Außenseiters ist.)

 

Drittens scheint sich Graham für eine Verständigung zwischen den kapitalistischen und den sozialistischen Staaten einsetzen zu wollen. Auf seiner Pressekonferenz am 16. Oktober äußerte er den Wunsch, die „Mißverständnisse" der amerikanischen Christen gegenüber den sozialistischen Ländern abbauen zu helfen. Zu diesem Zeitpunkt sprach er sich für die Paraphierung eines neuen SALT-Abkommens aus. Natürlich sind viele Menschen wesentlich besser informiert über das Christsein im Sozialismus als er, jedoch erreicht Graham viel eher das Gehör der Amerikaner als die „Sachverständigen".

 

Graham sprach öfter von seiner Bereitschaft zum Lernen. Dort, wo Graham eindeutig die Haltung eines Lernenden einnimmt, sollte er meiner Meinung nach Immer willkommen sein.

 

Viertens teilt Graham meine Besorgnis um ein bibelgebundenes Evangelium. Seine Verkündigung hat Dutzende und wohl auch Hunderte „einfacher" Menschen dem Glauben näher gebracht.

 

Negative Aspekte

Mich störte die Inhaltsarmut der Verkündigung. Offensichtlich ging es dem Redner auf keinen Fall um eine Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kirchlichen Sachthemen. (Er würde wohl meinen, daß das „reine, einfache" Evangelium auch ohne Bezugnahme auf die Umwelt verkündigt werden kann.) Graham war stets auf Diplomatie bedacht und verteilte oratorische Blumensträuße an alle erwähnenswerten Persönlichkeiten, egal wie gegensätzlich die Positionen der einzelnen eigentlich sind. Er hielt viele, nichtsaussagende Lobreden. Er sprach davon, daß manche der besten Christen, die er kennt, in Polen leben, daß er nie so beschäftigt gewesen ist, wie während seines hiesigen Aufenthalts und, daß diese Tage zu den besten seiner bisherigen Erfahrungen zählen. Ob er nicht auf solche Aussagen hätte verzichten können? Ein Vertreter Billy Grahams, der in Lodz auftrat, nannte Lodz eine „wunderschöne, wunderbare" Stadt. (Unter den Polen zählt Lodz zu den häßlichsten Städten Polens.)

 

Noch viel ernster ist der Hang zur Oberflächlichkeit, der die Theologie des „Amerikanischen Evangelikalen Establishments" (Wheaton College, Moody Bible Institute, Campus Crusade, Billy Graham Evangelistic Associatlon, die Südbaptisten u.a.) gekennzeichnet. Zitat von Graham in Polen: „Vor 20 Jahren erkannte ich, daß ich manchmal Amerika mit meinem Christsein verwechselt hatte. Heute ist es natürlich anders." Ob diese Frage sich so schnell erledigen läßt?"

 

Mitarbeiter T. W. Wilson, Lewis Drummond und andere riefen ihren Zuhörern zu: „Take your stand for Jesus" (etwa: „Gehe für Jesus auf die Barrikaden"). Damit meinten sie, daß wir die Hände erheben sollten.

 

Übrigens äußerte Drummond in Lodz seine Genugtuung darüber, daß Jimmy Carter zu den Bekehrten zählt. Dabei dachte ich natürlich an Themen wie Neutronenwaffe und die Aussöhnung mit Vietnam.

 

Diejenigen (z. B. Cliff Barrows und Wilson), die die Nachgespräche für Suchende führten, erwähnten stets die vier Schritte, die nach Ansicht des „Amerikanischen Evangelikalen Establishments" zum erfolgreichen, christlichen Leben führen: tägliches Gebet und Bibellesen, das Weitersagen und das sich einer Gemeinde Anschließen. Ich halte diese Schritte für durchaus empfehlenswert, weiß jedoch, daß auch viele Soldaten der Südafrikaner und die nordirischen Anhänger Jan Paisleys diese vier Schritte strikt einhalten. Diese vier Schritte sind eben viel zu allgemein und unausreichend, denn sie lassen immer noch ein reaktionäres, zerstörerisches Christsein zu.

 

Graham und andere Vertreter des "Amerikanischen Evangelikalen Establishments" nennen wir es „AEE") gehen davon aus, daß die Welt nur dadurch verändert wird, daß wir die Menschen einen nach dem anderen bekehren. Hiermit wiederholt Graham die uralte Häresie der Pietisten. Wenn dies stimmte, wären die Probleme in Nordirland, Südafrika und in den Südstaaten der USA weitgehend gelöst. Sie vergessen eben, daß auch die „Bekehrten" bekehrt werden müssen. Die Aufgabe der strukturellen Veränderung muß auch von Christen in Angriff genommen werden. Es geht dem Evangelium um viel mehr als nur um die Seelen der einzelnen.

 

Zweitens störte mich die ausgesprochene Heldenverehrung der meisten anwesenden Gläubigen, Graham erwähnte öfter, er habe niemals erlebt. daß Menschen so lange gestanden hätten, um das Evangelium zu hören. Er freute sich häufig über den ausgesprochenen Hunger der Polen nach Glauben. Ein Mitarbeiter zitierte Graham: „Die Felder Polens sind weiß zur Ernte wie noch nie." Ich bin jedoch überzeugt, daß die meisten Stehenden nicht auf das Evangelium warteten. Billy Graham ist eben ein „Held" für viele Christen, und man erwartet von ihm etwa das, was man sich von einer vorbeifahrenden Königin verspricht. Viele Protestanten (insbesondere Baptisten und Pietisten) brachten ihm eine große, lautere, allesverzeihende Liebe entgegen.

 

Eine Sonderausgabe der Presse der polnischen Baptisten zum Besuch Grahams beschrieb dessen Besuch im vorigen Jahr in Ungarn. Dabei erwähnte der Artikel u.a. in welchem bedeutenden Hotel er übernachtete, dann die Wagentypen, mit denen er dort befördert wurde, und mit welchen bedeutenden Persönlichkeiten er zusammentraf. Vielleicht schließt Heldenverehrung Diskussion über sachliche Themen aus.

 

Meinem Eindruck nach hat Graham die überschäumende Liebe der hiesigen Evangelikalen nicht erwidert. Mir ist kein Fall bekannt, in dem sich Graham etwa im Stil Fidel Castros unter die Menge gemischt und sich mit einzelnen unterhalten hätte. Wie eine Braut auf ihrer Hochzeit erschien Graham immer nach Beginn der Festlichkeiten und war vor deren Abschluß (samt den meisten Mitgliedern seines Teams) wieder verschwunden. Ich habe leider den Eindruck gewonnen, daß auch die anderen Mitglieder seines Teams das Gespräch mit den Zuhörern scheuten. Meistens befand sich das Graham-Team in feinster Gesellschaft. Es übernachtete in den besten Hotels und ihm wurde ein kirchlicher Empfang im Hotel Viktoria, das ist eins der teuersten der Hauptstadt, bereitet.

 

Übrigens war der altbewährte Aufruf zur Bekehrung am Ende der Veranstaltungen recht undeutlich. Ich erlebte einmal, daß sich eine ganze Reihe Nonnen erhob. Ich vermute, daß die Schwestern damit zum Ausdruck bringen wollten, daß sie als Christen gelten, sie würden es nie unterlassen, dies der Umwelt zu bezeugen. Auf einer Kleinveranstaltung in Lodz begannen die Leute, sich aus rein traditionellen Gründen (man steht während des Betens) zu erheben. Es folgten in Lodz keinerlei Nachgespräche. Ein reformierter Pfarrer bat Graham auf der Pressekonferenz um eine Zahlenangabe über den Prozentsatz wahrer Neubekehrter unter denjenigen, die dem Aufruf gefolgt waren. Graham gab eine langatmige, unpräzise Antwort und meinte, daß er nur säen wollte.

 

Fragen grundsätzlicher Art

Meine Fragen grundsätzlicher Natur richten sich nicht speziell an Graham, sondern allgemein an die theologische Richtung des AEE. Dafür Ist Graham ja nur einer von vielen Vertretern.

 

In Grahams erster evangelistischen Veranstaltung erzählte er von seinem persönlichen „Maisfeld-Erlebnis". „Maisfeld-Erlebnisse" habe ich während meiner Kindheit in USA in Hülle und Fülle zu hören bekommen. Solche Erlebnisse besagen immer etwa: „Wie Nikodemus hatte ich alles mitgemacht. Ich bin in einem gläubigen Elternhaus groß geworden; ich besuchte die Sonntagsschule und lernte viele Bibelstellen auswendig. Mit 12 bis 13 Jahren ließ ich mich taufen (oder konfirmieren), doch fehlte mir noch ein ,gewisses Etwas'. Ich war eben noch nicht richtig bekehrt. Nach einiger Zeit besuchte ich die Veranstaltungen eines reisenden Evangelisten in unserem Dorf. Seine Fragen trafen mich ins Herz. Ich erkannte meine Not. Ein paar Nächte später befand ich mich draußen in einem Maisfeld. Der Vollmond strahlte, die Maispflanzen glänzten und schwebten Im hellen Mondschein. Da gab ich Gott mein Leben und ging jauchzend meinen Weg. Der Mais glänzte wie noch nie. Seitdem ist alles anders geworden in meinem Leben."

 

Mit dieser Schilderung möchte ich keineswegs die Notwendigkeit einer Bekehrung abstreiten. Die Hinwendung zu Gott, der Anfang mit Gott, ist mir sehr wichtig. Ich befürchte aber, daß das Evangelium des AEE beim Maisfeld stehengeblieben ist. Natürlich muß man irgendwann den Anfang mit Christus machen. Es hat aber wenig Sinn, ein Leben lang nur darauf herumzureiten. Der Anfang Ist eben bloß ein Anfang, nicht das christliche Leben selbst. Wozu befähigt uns Gott durch unsere Hinwendung zu Ihm Was bedeutet es, als Christ in der heutigen Welt zu leben?

 

Wir dürfen der Frage, „Wovon hat Gott und wofür hat er mich gerettet", nicht aus dem Wege gehen. Vertreter des AEE neigen sehr stark dazu, das „Wovon" mit Sünden rein persönlicher Art (Trinken, Unzucht) zu belegen. Das Evangelium des AEE ist eben sehr privat geprägt, vielleicht oberflächlich und geht auf institutionelle Sünden nicht ein. Es bezieht sich nur auf das „Ich-und-mein-Gott-Verhältnis". Die Beziehung „unserer Gesellschaft gegenüber unserem Gott" wird zu sehr außer Acht gelassen.

 

In einer Aufzählung der Aufgaben der Christen in Warschau am 7. Oktober erwähnte Graham das Soziale an vierter Stelle, meinte damit aber nur ein Handeln im karitativen Sinne. (An erster Stelle stand die mündliche Verkündigung des Wortes.) Das bedeutet, daß wir dazu aufgerufen sind, die Scherben erst aufzusammeln, nachdem es in einer Gesellschaft „geknallt" hat. Solches Dienen im karitativen Sinne ist wichtig. Das Dienen im Sinne der Vorbeugung, damit es nicht einmal zum Knall kommt, ist wichtiger, siehe Bonhoeffer.

 

Ein starker, platonischer Dualismus ist ein weiteres Merkmal der Theologie des AEE: Es gibt geistliche und irdische Werte, und die geistlichen Werte müssen immer den irdischen vorgezogen werden. Darum sind wir vorerst darauf aus, Seelen zu bekehren. Ich möchte schlicht behaupten, daß Gott die Welt in ihrer Ganzheit sieht. Ich meine nicht, daß Gott zwischen „geistlichen" und „irdischen" Werten unterscheidet. Alles hat er geschaffen, und er ist an allem interessiert. Auch die Tiere und Berge (die Ökologie) sind ihm von großer Bedeutung.

 

Sagen wir es klar und deutlich, geben wir es den „Klassenbewußten" der Welt zu; die Theologie des AEE ist eigentlich eine Theologie der Bourgeoisie, eine Theologie der Habenden. Beispielsweise sagt uns der Argentinier José Bonino, daß eine Theologie immer einem gewissen kulturellen und sozialen Kontext entspringt. Natürlich würde das AEE heftig protestieren, ich meine aber, daß die Theologie des AEE der Klasse der wohlhabenden, mächtigen Amerikaner entspringt. Diese Theologie gefährdet die Macht und Privilegien dieser Schicht auf keine Weise.

 

Sie ist eine Theologie der Reichen, weil sie mehr vom „Nahmen“ als vom Dienen spricht. Zitat von einem Mitarbeiter Grahams: „Nimm Jesus an. Er wird dir vieles schenken und dich dann zu sich in die Ewigkeit holen ." Es ist ein Jesus für Konsumorientierte.

 

Bonino behauptet in seinem Buch, „Doing Theology in a Revolutionary Situation", daß Paulus zweierlei Theologien gegenüberstellt: eine, die sich über den Himmel besinnt, und eine zweite, die die Auseinandersetzung mit der heutigen Welt sucht. Leider ist die Theologie des AEE noch der ersten zuzurechnen. Dies will ich nicht mit Schadenfreude behaupten, sondern mit Tränen. Ich selbst bin ja auch ein Kind des AEE.          1"

 

Die Zukunft

Nun konnten Graham und die „Billy Graham Evangelistic Association" schon den zweiten Besuch im sozialistischen Lager zu den Akten legen. Die BGEA beginnt eine eigene „Abteilung für Ostmission" (unter Leitung des Exilungarn Haraszti) aufzubauen. Graham betont immer wieder seine Bereitschaft, weitere sozialistische Länder zu besuchen. Besuche der Vertreter der BGEA sind dem Besuch Grahams vorangegangen, und manche von ihnen werden wiederkehren, um weitere evangelistische Veranstaltungen abzuhalten. Vorbereitungen dafür sind schon mancherorts im Gange.

 

Die BGEA und andere Missionen werden es sich leisten können, Millionenbeträge auszugeben, um Pfenniggewinne in Osteuropa zu erzielen. Die christlichen Großkonzerne des AEE sind längst nicht mehr gezwungen, wirtschaftlich zu denken und zu handeln. Hinzu kommt, daß sich in christlichen Kreisen der USA nichts so gut verkauft, wie Mission in sozialistischen Ländern. Dafür sind die amerikanischen Geldquellen wahrlich unerschöpflich.

 

Sind nunmehr reisende Evangelisten aus den USA wirklich das, was die polnischen Protestanten brauchen? Manche Gemeinden (z. B. die Baptistengemeinde Warschau) sind ohnehin schon seit einiger Zeit mit reisenden Verkündigern aus dem Westen überlaufen.

 

Ist das missionarische Anliegen wirklich das Thema für die polnischen Kirchen heute? Ich fände es wichtiger, daß wir zuerst erkennen, wie das Programm Christi für die Welt auszusehen hat, statt krampfhaft Werbung für das Programm der Christen zu machen. Das Christsein muß auch unter den Christen noch wirklich zum Tragen kommen.

 

Die Entstehung der Theologie der Befreiung im lateinamerikanischen Bereich führt uns das Herausbrechen protestantischer Kirchen aus ihren kulturellen und theologischen Bindungen an Nordamerika (und zum AEE) deutlich vor Augen. Ein angestiegenes Selbstbewußtsein ermöglicht es, daß sich Kirchen von ihren alten Gönnern abwenden und neue, wirklich eigene Wege gehen können.

 

Hingegen möchte ich behaupten, daß das Rendezvous osteuropäischer Christen mit dem AEE erst seit Helsinki richtig begonnen hat. Kolonialistische Missionen, die von Lateinamerikanern und Afrikanern den Korb bekommen, könnten sich so auch noch sehr leicht dem „osteuropäischen Treffen" anschließen.

 

Ich weiß, daß manche meiner Glaubensgenossen hier nicht mit mir übereinstimmen werden. Ich behaupte, daß eine Theologie, die dem AEE entspringt, „fortschrittlich" gesinnte Menschen abstoßen wird. Sie werden mit Recht entgegnen können, daß Europa nicht gerade mit „revolutionären Geistern" erfüllt ist. Ich meine aber doch, daß unsere Theologien die edlen Werte der Menschheit miteinschließen müssen.

 

Ich hoffe, daß auch kleine Diasporakirchen Kirchen sein können, die ihren Platz gefunden haben und in ihrer Umwelt zu bestehen suchen. Dabei werden Vertreter des AEE wohl nur wenig Hilfe bieten können. Vielleicht kann erst durch den Verzicht auf angebotene Hilfe der Wille zum Beschreiten eines eigenen Weges entstehen. Dies ist ganz bestimmt dort nicht möglich, wo sich Kirchen dem AEE gegenüber noch in einem Knecht-Herr-Verhältnis befinden.

 

Eine positive, kritische Haltung

Nun hätte es wenig Sinn, wenn ich Billy Graham verleumdete, ihn als einen geldgierigen Demagogen abstempelte und den Kampf für erledigt erklärte. Eine solche Haltung wäre äußerst unchristlich, selbst demagogisch und wiese wenig Beziehung zu den treuen, pietistischen Gliedern der Kirchen auf. Meines Erachtens müssen die Vertreter des AEE menschlich anerkannt und geschätzt werden, damit die theologische und politische Auseinandersetzung erst richtig anlaufen kann. Darum geht es mir in diesem Bericht. Ich möchte meine evangelikalen Freunde in Polen und auch in der DDR ermuntern, die Auseinandersetzung mit diesen „reisenden Evangelisten" aus westlichen Ländern zu suchen, denn es hilft wenig, solche Gäste nur zu bewundern und zu beneiden.

 

W. Yoder

Lodz/Polen, etwa 20. Oktober 1978

 

Erschienen in der Ost-Berliner Zeitung „Die Kirche“ am 3.11.1978, 2.430 Wörter

 

Nachtrag vom Februar 2022:

Heute empfinde ich diesen Artikel vor allem als Zeitdokument – ich war damals 28 Jahre alt. Heute würde ich vieles anders ausdrücken. Aber vielleicht ist der Aufsatz dennoch lesenswert; das positive – wie negative - Echo auf ihn war in meiner „Karriere“ nahezu einmalig.

 

Der Evangelist Billy Graham lebte von 1918 bis 2018.

Cliff Barrows (1923-2016) wurde 1949 Musikdirektor für Billy Graham und diente dieser Organisation bis zum Ende seines Lebens.

Lewis A, Drummond (1944-2022) war Professor für Evangelisation am “Southern Baptist Theological Seminary” in Louisville von 1973 bis 1988.

Der Pastor und Arzt Alexander Haraszti (1920-1998) floh 1956 aus Ungarn und bereitete später die Fahrten Grahams nach Osteuropa vor.