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Über die "Partei Bibeltreuer Christen" (PBC)

Renate Schrader ist seit einem dreiviertel Jahr Landesvorsitzende der "Partei Bibeltreuer Christen" (PBC) in Berlin.  Sie ist ein langjähriges Mitglied der Elimgemeinde Anklamer Str. und beruflich als Projektbearbeiterin bei der Telecomm tätig.  Die an die Adresse Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden gerichteten Bitten der PBC um politische Unterstützung verleiht diesem Interview Aktualität.

 

Wie groß ist inzwischen die 1989 gegründete Partei Bibeltreuer Christen?

Gegenwärtig haben wir etwa 3.500 Mitglieder.  Wir sind besonders stark in Baden-Württemberg vertreten, wo es alleine über 1.000 Mitglieder gibt.  In Berlin sind wir nur ein sehr kleiner Kreis von gut 50 Mitgliedern.

 

Gibt es auch eine "Partei Bibeluntreuer Christen"?  Heißt sie etwa "CDU"?

Die CDU ist gewiß einmal als christliche Partei auf den Weg gegangen.  Inzwischen sind nach unserem Erkenntnisstand in der CDU zwar durchaus noch bibeltreue Christen, aber keineswegs nur solche Christen.

 

Wo haben Sie ein Problem mit dem Programm der CDU?

In neuester Zeit haben sich Probleme aufgetan mit dem Paragraphen 218, aber vor allen Dingen in der Persönlichkeit vieler Politiker in der CDU, die wir so nicht mehr als Christen betrachten, jedenfalls nicht mehr als Christen in unserem Sinne.  Claudia Nolte ist nach meinem Dafürhalten eine absolut zuverlässige Christin, mit der wir durchaus übereinstimmen können.  Aber das trifft nicht für alle zu.

 

Es besteht die Notwendigkeit bei Parteien, Koalitionen zu bilden und Kompromisse zu schließen.  Wieso möchten Sie eine Partei nur von bibeltreuen Christen sein?  Man müßte doch mit anderen koalieren, die ähnliche Anliegen haben.

 

Die Frage einer Koalition stellt sich erst im Zusammenhang mit einer Regierung.  Davon sind wir sehr weit entfernt.  Es ist im Moment sogar so, daß wir uns nicht einmal zur Wahl stellen können, weil wir die 2.200 Unterstützungsunterschriften nicht bekommen haben.  Wir haben gegenwärtig nur die Möglichkeit Licht und Salz zu sein, zu mahnen, und auf Probleme hinzuweisen.

 

Bei den Bundestagswahlen im vergangenen Herbst benutzte eine Kleinpartei den ihr gebotenen Raum, das „Joga-Hopsen“ in alle Wohnungen zu kolportieren.  Ich verstehe, daß Sie eine ähnliche Absicht haben: mittels von Wahlkampagnen eine evangelistische Botschaft auf preisgünstige Weise in das Blickfeld der Bundesbürger zu rücken.  Stimmt das?

Es ist unser Anliegen, Gottes Wort wieder in die Öffentlichkeit zu bringen.  Damit bewegen wir uns durchaus im Auftrag der Bibel.

 

Aber ich finde es unredlich, auf diesem Schauplatz evangelisieren zu wollen.

Ist es nur redlich, wenn es teuer ist?  Es ist keineswegs unredlich, wenn man allgemeine Angebote und Möglichkeiten nutzt.

 

Sie haben das Beispiel von dieser eindeutig satanischen Sekte angeführt.  Sie versucht ihre Botschaft in die Häuser zu bringen.  Warum sollten wir Christen nicht die Möglichkeiten suchen, auch übers Fernsehen in die Häuser zu kommen?  Viele Missionsgesellschaften bringen ihre Botschaft über Radio und Fernsehen gegen teures Geld, und wenn man es in Zusammenhang mit einer politischen Tätigkeit bringen kann, sehe ich darin keine Unredlichkeit.

 

Damit werden Sie doch mit den Joga-Hopsern in die gleiche Ecke gestellt.

Ich höre das heute zum ersten Mal.  Ich würde es aber zurückweisen, denn wir haben auch durchaus die Absicht, politisch aktiv zu werden.

 

Machen Sie sich Überlegungen hinsichtlich der sprachlichen Darstellung Ihrer Botschaft?  Ein Beispiel: Vor den Bundestagswahlen gab es ein Gespräch im Fernsehen mit den Kleinparteien.  Ihr Vertreter hat auf eine Frage geantwortet, daß "Jesus lebt."  Reaktion des Publikums: schallendes Gelächter.  Auch hinterher hat man die Zuschauer gefragt, was sie von dem Abend behalten hätten.  Eine junge Dame versicherte, sie hätte nur noch die "sehr witzige" Bemerkung in Erinnerung, daß "Jesus lebt".  Ich denke, ihr schwebte eine Vorstellung von Jesus als Elvis-Erscheinung vor.  Wie haben Sie das damals ausgelegt?

Ich fand es gut, daß unser Bundesvorsitzender, Gerhard Heinzmann, diese Botschaft brachte.  Daß die Jugendlichen es nicht verstanden haben, zeigt wie weit vom Christentum unsere Bevölkerung entfernt ist.

 

Die Schuld für dieses Mißverstehen lag also bei den Jugendlichen selbst, nicht bei Ihnen.

Ja.  Die Jugend hat mit dieser Botschaft offensichtlich nichts anfangen können.  Ich will aber nicht sagen, daß Schuld bei ihnen liegt: Die Jugendlichen sind nicht informiert worden, es liegt an der Erziehung.

 

Wir als Freikirchlicher sind in unserer Tradition immer für den Pluralismus eingetreten, für die Trennung von Kirche und Staat.  Wir verzichten auf die Vertretung unseres Glaubens durch den Staat; das machen wir lieber selber.  Davon weichen Sie jetzt ab.

Wir wollen auch nicht durch den Staat unsere Botschaft verkündigen lassen, sondern das wollen wir selber sagen.  Aber wir wollen staatliche Möglichkeiten nutzen, und das haben die Freikirchen seit eh und je getan.

 

Bei den letzten Bundestagswahlen haben die christlichen Kleinparteien 94.000 Zweitstimmen bekommen, dabei fielen 65.000 auf Ihre Partei.  Lohnt sich die Mühe?  Eine rein evangelikale Partei wird sehr wahrscheinlich die Fünf-Prozent-Hürde nie nehmen.

Ein Beispiel: Die Baptistengemeinden.  Im Jahr 1834 stiegen Oncken und sechs Mitstreiter ins Taufwasser, 1848 gab es 25 Baptistengemeinden.  Heute haben sie 88.000 Mitglieder.  Das ist ein Beispiel dafür, daß auch eine ganz kleine Bewegung wirksam werden kann.

 

Mich irritiert es, daß sie einen Kampf mit zwei Stoßrichtungen führen: Einmal eine missionarische und zweitens, eine politische.  Dieses Verknüpfen stört mich.

Daniel hat es nicht gestört.  Er wirkte als Politiker am heidnischen Königshof.  Daneben war er Prophet für sein Volk.  Ihn hat dieser Widerspruch nicht gestört, ich wüßte nicht weshalb er uns heute stören sollte.

 

Wollen Sie eine Theokratie schaffen?

Wir sind davon unheimlich weit entfernt.  Wir können uns nicht einmal zur Wahl stellen.  Wir können aber Licht und Salz sein, dem Gebot der Stunde folgen.  Jetzt können wir nur Mahner des Gewissens sein.  Wir wollen nicht schon heute die Aufgaben der Jahre nach 2000 lösen.

 

Bill Yoder

Berlin, den 4. Oktober 1995

 

Verfaßt für das Blatt „Die Kirche“ in Berlin, 870 Wörter