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Baptistische Deklaration gegen den Nationalismus

Endlich aus der Geschichte lernen

 

Bei einem Seminar im Hause der Berliner Diakoniegemeinschaft Bethel wurde am 29. Mai eine Deklaration verabschiedet, die jeglicher Form von Nationalismus, Rassismus und Sexismus eine scharfe Absage erteilt. Diese "Berliner Deklaration über baptistische Identität und nationale Kultur" unterstreicht u.a. die "radikale Gleichheit" aller Christen, geißelt jeglichen Nationalismus als Götzendienst und tritt für Glaubensfreiheit und die Trennung von Staat und Kirche in allen Ländern ein. An einer Stelle heißt es z.B.: "Nationale Verpflichtungen können immer nur von vorübergehender Natur sein, denn wir sind Bürger des Himmelreichs."

 

Bei diesem viertägigen, gemeinsam vom Baptistischen Weltbund (Baptist World Alliance), von der Europäischen Baptistischen Föderation und dem deutschen Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden getragenen Seminar mit Delegierten aus fünf Kontinenten kamen auch eigene Verfehlungen immer wieder zur Aussprache. Dr. Wolfgang Lorenz, Vorsteher der Betheler Diakoniegemeinschaft, berichtete von einer falsch verstandenen Zwei-Reiche-Lehre, "die Sprachlosigkeit hervorruft". Ein Referat verwies darauf, dass die sogenannten Freikirchen wiederholt einen eigenen Konstantinismus entwickeln, der die bestehende Ordnung verteidigt, während sich nationale Volkskirchen dagegen auflehnen. Pastor Moses Khanu aus Sierra Leone meinte, Baptisten könnten oftmals Regierungen nicht auf ihre Schandtaten hin ansprechen, da ihr eigenes Haus nicht bestellt sei. Dr. Thorwald Lorenzen aus Australien stellte fest: "Unsere Gemeinden sind voll unprophetischer Leute." Ein Delegierter aus Osteuropa meinte, selbst manche nordamerikanischen Missionare seien gegen die Verlockungen des Nationalismus in ihren Herkunftsländern nicht gefeit. Dr. Denton Lotz, Generalsekretär des Weltbundes, versicherte, Nationalismus und Rassismus seien sogar "das Weltproblem des 21. Jahrhunderts". Aufgrund eigener, geschichtlicher Übertretungen seien gerade die Deutschen in diesen Fragen besonders sensibilisiert.

 

Es wurde festgestellt, die gutgemeinten Verlautbarungen der BWA würden nur selten bis zur Kirchenbank gelangen. Erforderlich sei deshalb ein breitangelegtes Programm der Weiterbildung und Bewusstseinsänderung. "Jetzt fangen wir erst an," versicherte der Münchener Pastor Dr. Kim Strübind, der eigentliche Initiator des Seminars. Nachdem im Kosovokrieg vor zwei Jahren US-amerikanische sowie serbische Baptisten für die kriegerischen Maßnahmen ihrer jeweiligen Regierung Partei ergriffen hatten, war für Pastor Strübind das Maß voll. Immer wenn es darauf ankomme, erweise sich "die nationale Loyalität stärker als die Christusloyalität. Wir müssen doch endlich etwas aus der Geschichte lernen." Sein Antrag, ein Seminar zur Gefahr des Nationalismus durchzuführen, stieß auf Resonanz bei Baptisten auf deutscher, europäischer und auf Weltebene.

 

Voraussichtlich wird in zwei Jahren eine Fortsetzung des Seminars stattfinden.

 

Dr. William Yoder

Berlin, den 30. Mai 2001

 

Eine Pressemitteilung der Vereinigung Berlin-Brandenburg im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, 370 Wörter

 

Anmerkung von Dezember 2020: Der US-Amerikaner Denton Lotz (1939-2019) war von 1988 bis 2007 Generalsekretär des Baptistischen Weltbundes. Kim Strübind (geb. 1957) ist seit 2012 Pfarrer der evangelischen Landeskirche in Bayern.