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Heye Osterwald neuer Propst

Unser Inseldasein überbrücken

 

Heye Osterwald ist ein bewährter Hobbyfußballer; der schon immer wieder den Libero gespielt hat. Das sportliche Können kam ihm auch sehr zugute als er im September 1996 den Pastorendienst für die Region Gusew/Gumbinnen übernahm. Für die ersten zwei Jahre musste er 17 weit verstreuten Gemeinden betreuen. "Sonntags hatte ich oftmals drei Gottesdienste," erzählt er: "morgens in Gusew, nachmittags in Slawsk/Heinrichswalde, abends um 18 Uhr in Tschernjachowsk/Insterburg." Später, nachdem die Pastoren Waldemar Michelis und Istvan Thuranszky hinzugekommen waren, waren es "nur" noch 12 Gemeinden.

 

Der neue, am 1. September 2002 eingeführte Propst der Propstei Kaliningrad weist aber mehr als nur sportliche Fähigkeiten auf: Wer es unbedingt möchte, kann ihn auch auf Afrikaans oder Englisch ansprechen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Familie Osterwald in 1964, als Sohn Heye fünSüdafrika f Jahre alt war, nach Südafrika umzog. In Kapstadt war Vater Osterwald bis 1973 Pastor der deutschsprachigen Gemeinde. Für den Schüler war es eine spannungsreiche, von den Kämpfen um den Apartheid geprägten Lehrzeit. Nach dem 1. Theologieexamen in Hamburg 1992 verbrachte Heye Osterwald ein halbes Jahr bei der Seemannsmission in Antwerpen. In Edinburgh/Schottland, wo er ein Jahr lang studierte, baute er seine Englischkenntnisse aus. Russisch kann er ebenfalls: Dabei verfügt er über den einmaligen Vorteil, eine russische Ehefrau zu Hause zu haben. Ferner unterrichtete der neue Propst 1992 Deutsch am Evangelischen Seminar in Bratislawa/Slowakei. Von Ende 1993 bis Anfang 1996 arbeitete er als Vikar der Gemeinde Uetersen vor den Toren Hamburgs.

 

Überhaupt führt Pfarrer Osterwald sein Engagement für Osteuropa auf ein langjähriges Interesse an diesem Gebiet zurück. „Mich interessierte das Leben hinter dem Eisernen Vorhang überhaupt,„ erzählt er, „und nicht nur das kirchliche Leben. Das fand ich sehr spannend.“ Schon vor der Wende besuchte er zweimal die Sowjetunion; danach kamen Besuche in Rumänien hinzu. Vom Gustav-Adolf-Werk erhielt er Informationen über das Kaliningrader Gebiet. Erstmals im Mai 1996 besuchte er das Gebiet. Über die Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche entwickelte sich die Möglichkeit, dort als Pastor zu wirken. Dafür angestellt wurde er beim Martin-Luther-Bund in Erlangen. Im September 1996 trat er seinen Dienst in Gusew an; ordiniert wurde er vom Moskauer Bischof Siegfried Springer im Juni 1997.

 

Über die sechs Jahre in der Region Gusew sagt Heye Osterwald heute: „Es war schön, für den Gemeindeaufbau verantwortlich zu sein. Mir war es auch wichtig, eine gute Resonanz verspürt zu haben. Mir ging es immer um die Verbindung zu den Gemeindegliedern. Sie haben mir etwas gegeben, und ich habe wohl auch etwas geben können. Das hat mich gehalten und mir das Gefühl vermittelt, dass ich da gut aufgehoben bin.“

 

Und warum hat sich das Ehepaar Osterwald entschieden, den Wechsel nach Kaliningrad/Königsberg zu wagen? Pfarrer Osterwald antwortet: „Dort gibt es die Möglichkeit, etwas zu formen, wie ich es von Gusew aus nicht hätte machen können. Das betrifft insbesondere den Gemeindeaufbau. Ich möchte auch, dass die Mitarbeiter im Kaliningrader Gebiet enger zusammenrücken und sich verstärkt als eine Einheit verstehen. Das ist ganz wichtig, denn ich sehe ein bisschen die Gefahr, dass wir auseinanderfallen.“

 

Auf die Frage, was der neue Propst ausbauen möchte, antwortet er: „Geographisch stehen wir in der Mitte zwischen Deutschland und dem russischen Kernland. Wir als Propstei müssen beides im Blick haben. Es könnte auch noch kommen, dass wir unsere Beziehungen in die USA verstärken. Wir müssen aber unbedingt unsere Kontakte zum russischen Kernland intensivieren – zum Seminar in Nowo Saratowka und zur lutherischen Kirche im europäischen Russland überhaupt. Es ist ganz wichtig, dass wir Wege finden, unser Inseldasein zu überbrücken. Wir sind sehr losgelöst von allen hier im Kaliningrader Gebiet; Verbindungen werden unser kirchliches Leben verstärken und festigen.“

 

Ferner beschreibt Pfarrer Osterwald die geistliche Qualität mancher Gemeinden als „recht dünn“. Im Osten des Gebiets „sind wir schon ein Schritt weitergekommen, aber wir müssen auf diesem Wege weitergehen.“

 

Mitarbeiter werden dem neuen Propst am besten unter die Armen greifen in dem „jeder in seinem Gebiet eigenverantwortlich tätig ist und, dass wir immer wieder zusammenkommen und uns darüber austauschen. Wir müssen im Gespräch bleiben. Es darf nicht jeder für sich selber ‚hinpuzzeln‘ und seine Sachen alleine machen. Es geht nicht an, dass man nur etwas macht, weil der oder die es gerne haben möchte. Die Mitarbeiter müssen erkennen, was der Sache der gesamten Kirche dient.“

 

Berichten zufolge ist die Gemeinde Gusew über den Weggang ihres langjährigen Pastors sehr traurig. Das soll jedoch nicht die Freude über das Kommen eines neuen Pastors trüben. Am 31. August wird Pfarrer Ingo Rockmann aus Lutherstadt Eisleben als Nachfolger von Heye Osterwald eingeführt.

 

Propst Osterwald ist seit Februar 1998 mit der in Arnau/Marjino aufgewachsenen Anna Iwanowna verheiratet. Das Paar hat zwei kleine Söhne.

 

Dr. William Yoder

Kaliningrad, 30. August 2002

 

Pressemitteilung der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Russland und anderen Staaten (ELKRAS), Propstei Kaliningrad, Meldung Nr. 1,
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Anmerkung von Oktober 2021: Im Oktober 2021 wechselte Pfarrer Osterwald in den Pfarrsprengel Alt Käbelich/Warlin und Bredenfelde. Das ist unweit der Stadt Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern. Er hatte seit 2008 in Hamburg gedient.