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Die russische Jugendleiterin Jana Aizetova

Der Glaube: Nicht geerbt, sondern ein Geschenk von oben

 

M o s k a u - Vor nur sieben Jahren stand Jana Aizetova in einer orthodoxen Kirche an ihrem Wohnort Uljanowsk und bat Gott um ein Gespräch. Es bestand aus der Mitteilung: „Gott, ich kann nicht an Dich glauben. Aber ich will an Dich glauben – hilf mir.“ Gott erhörte ihr Gebet. Endlich hatte ihr Leben einen Sinn. Später verspürte Janas Bruder das gleiche Verlangen: Heute gehört auch er zur lutherischen Kirche. Man sieht: Das Verlangen nach Gott ist oftmals da auch wenn die Eltern das Kind nicht im Glauben erziehen. Die Eltern der beiden verstehen sich noch heute als ungläubig: Ihr Vater ist Tatare moslemischer Herkunft und pensionierter Armeeoffizier; ihre Mutter ist Ukrainerin und nennt sich nur aus traditionellen Gründen orthodox. Jana erzählt: „Ich bin atheistisch erzogen worden. Über Gott haben wir immer nur gelacht.“ Die Eltern verharren in der Überzeugung, ihre beiden Kinder seien nun bei den „Sektanten“ gelandet. Nur mit Lug und Trug war es Jana anfangs gelungen, sich mit anderen Christen zu treffen. „Doch nun bin ich erwachsen,“ sagt die demnächst 24-Jährige. „Jetzt darf ich tun und lassen, was ich will.“

 

Es war ein Plakat, das auf ein Orgelkonzert in der lutherischen Kirche von Uljanowsk hinwies, daß Jana sehr früh in ihrem Glaubensleben zu den Lutheranern führte. „Mir gefällt es bei den Lutheranern,“ erzählt sie. Die Balance zwischen Tradition und Innovation, zwischen Liturgie und Spontaneität, sagt ihr zu. Rasch machte Jana in ihrer Kirche „Karriere“: Bereits 2002 übernahm Jana von Julia Haefele den Stab als Leiterin der Jugendarbeit in der ELKER (Evangelisch-Lutherische Kirche Europäisches Rußland).

 

Dabei wird Jana manchmal Mut abverlangt. Wenn sie in eine angehende, lutherische Gemeinde kommt, die sich primär noch als deutschen Kulturverein versteht, ist sie erst einmal Fremdkörper. Doch meist hat die pfiffige, englischsprachige Dame bald Verbündete unter der jüngeren Generation ausfindig gemacht. Darin besteht ohnehin ein Großteil ihrer Arbeit: Sie vernetzt Menschen mit einem Herzen für die Jugendarbeit und leitet sie beim Aufbau einer Jugendarbeit in den Gemeinden an.

 

Ihrem fröhlichen Wesen ist nicht anzumerken, daß Jana vor einem Berg von Aufgaben steht. Abgesehen vom Wolgagebiet steckt lutherische Jugendarbeit vielerorts noch in den Anfängen. Darum führt sie jährlich zwei oder drei regionale Seminare für Jugendmitar­beiter sowie einige Wochenendrüsten und Sommerlager für Jugendliche durch. Eine Jugendkon­ferenz für alle ELKER-Gemeinden fand mit rund 100 Teilnehmern im Sommer 2005 in Samara statt.

 

Ganz wichtig ist der Leiterin der Anschluß an die lutherische Jugend der Welt. Erst dann geht vielen Jugendlichen auf, in welchem Maße sie in einer christlichen Weltbewegung eingebettet sind. Zu diesem Zweck wird vom 6.-11. Juli gemeinsam mit der in Minnesota/USA beheimateten „East European Missions Network“ ein Jugendlager im Raum Samara durchgeführt.

 

Nicht zuletzt wird zusammen mit der Jugendabteilung der ELKRAS (Ev.-Luth. Kirche in Russland, Ukraine, Kasachstan und Mittelasien) in St. Petersburg an einer verbesserten Neuauflage der Jugendmagazin „Generation Christi“ (Pokolenie Xrista) gearbeitet. Bisher war die Zeitschrift in einer Auflage von 100-150 vierteljährlich erschienen.  

 

Was würde sich die Jurastudentin Jana Asgatovna noch wünschen? Daß sich ein kleiner, vollamtlicher Mitarbeiterstab für die Jugendarbeit bildet! Angesichts der vielen Reisen bei großen Entfernungen wird den Halbamtlichen und Freiwilligen ein Kombinieren des kirchlichen Engagements mit einem weltlichen Beruf problematisch bleiben.

 

Jana ist auch das stets erforderliche Suchen nach Spendewilligen leid. Wer hängt schon gern am ausländischen Spendentropf? Die Sehnsucht nach Arbeitsstellen, die ein vertretbares Gehalt abwerfen, spricht nicht nur ihr aus der Seele. Kreative, christliche Unternehmer wären in den Weiten Rußlands höchst willkommen – und diese bräuchten keineswegs jung zu sein.

 

Dr. William Yoder

Moskau, 29. Mai 2006

 

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