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Versöhnungsgespräche unter Baptisten in Moskau

Eine Idee, deren Zeit gekommen ist

 

M o s k a u - Mit Umarmungen und einer starken Deklaration ging am 16. Februar in der Moskauer Zentrale der „Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ (RUECB) die dritte Tagung des „Öffentlichen Rats“ (Obschestwenii Sowjet) der Russischen Baptisten zuende. Gegründet im Juni 2006 auf Initiative der RUECB und der „Assoziation der Brüdergemeinden“ umfaßt dieser Verband neun Kirchen sowie weitere Missionswerke und Initiativen baptistischen Ursprungs. Zur dieser Tagung sind 150 kirchliche Mitarbeiter erschienen – unter ihnen befanden sich 12 Kirchen und Assoziationen.

 

Im Hinblick auf die Abspaltung der nichtregistrierten Baptistengemeinden (Initiativniki) Anfang der 60er Jahre sprach Pastor Walentin Wasilizhenko (Moskau), Sekretär des Öffentlichen Rats, auf der Tagung wiederholt von „100 gemeinsamen Jahren“ baptistischer Geschichte gefolgt von 40 Jahren einer bis heute anhaltenden Trennung.

 

Diese jüngste Deklaration des Öffentlichen Rats nennt sich „Aufruf von drei Generationen der Mitarbeiter der ECB“ und ist von der Sorge um die Weitergabe eines gebrochenen Erbes an die künftigen Leiter dieser Kirchen getragen. In der Deklaration versichert die mittlere Generation: „Wir wollen nicht, daß die tragische Trennung, die unseren Vätern anzulasten ist, das Schicksal unserer Kinder, Enkel und Urenkel bestimmt. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um die trennungsverursachte Verletzungen zu überwinden und hinter uns zu lassen.“

 

Die Generation der Großväter macht in diesem Schreiben deutlich, es sei nicht nur der atheistische Staat gewesen, der den Protestanten Leid zufügte. Eigenes „Mißtrauen und gegenseitige Verurteilungen“ hätten ebenfalls Verwundungen verursacht. „Wir bitten um Verzeihung bei allen, die durch unsere Taten und Worte verletzt worden sind. Wir verzeihen auch alle, die uns durch ihren Betrug, ihre Gewalt, ihre Verleumdung und ihr Unverständnis Schmerz zubereiteten.“ Verschiedentlich wurde die Aufspaltung der Baptisten auf eigene Sünden und eigenes Versagen zurückgeführt. Jewgenii Krawzow (Rybinsk) von der „Brüderschaft unabhängiger Kirchen der ECB“ sprach nicht nur von einer einst „totalitären Kirchenleitung“ sondern auch davon, daß die eigenen Väter der Versuchung Adam und Evas erliegen seien, sich selbst wie Götter aufzuspielen.

 

Teilnehmer des Treffens äußerten immer wieder ihr Bedauern darüber, daß Schritte zur Versöhnung nicht schon eher gekommen sind. Josef Bondarenko (USA) gab an, seit 30 Jahren um diese Entwicklung gebetet zu haben. „Der Krieg hörte schon vor langer Zeit auf,“ versicherte ein Pastor aus dem südlichen Wladikawkas. Peter Rumachek (Dedowsk), der lange inhaftierte Pastor einer Gemeinde der „Assoziation der Brüdergemeinden“, stellte fest: „Gott hat zu gegebener Zeit den zentrifugalen Kräften Einhalt geboten. Wir sehen nicht mehr nur uns selbst, sondern einander. Der Herr hat gezeigt, daß wir einander brauchen, um seinen Willen erfüllen zu können.“

 

Doch am Ziel einer umfassenden Versöhnung ist man noch nicht angekommen. Wiktor Abramov, Stellvertreter des Bischofs der russischen Baptisten in Lettland, berichtete, daß die „Krankheit der Nichtvergebung“ weiterhin von brennender Aktualität sei. Ein anderer Teilnehmer versicherte, die Versöhnung unter Baptisten sei begrüßenswert, „aber wir dürfen Pfingstlern und Charismatikern die Tür nicht öffnen“.

 

Seit ihrer Gründung ist der Öffentliche Rat in seiner Zielsetzung bescheiden geblieben. Peter Mitskiewitsch, Stellvertretender Präsident der RUECB, versicherte: „Es geht uns vor allem um die Einigkeit im Geist und im Verständnis. Das ist eine geistliche Bewegung, keine strukturelle. Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig. Es ist wichtig zu begreifen, daß wir Brüder und Schwestern sind. Wir sind weder Konkurrenten, Klatschtanten noch Neider.“

 

Im Gründungsschreiben vor 10 Monaten wurde versichert, daß es mit dem Öffentlichen Rat keineswegs um die Schaffung einer „neuen ökumenischen Organisation“ handele. Vielmehr sei eine geistliche Einheit sein Ziel. Obwohl sich der wichtige „Internationale Rat der Kirchen der ECB“ – einst CCECB oder Initiativniki – mit dem Öffentlichen Rat im ständigen Kontakt steht, hat er offiziell nur Beobachterstatus.

 

Daß es sich um eine Idee handelt, deren Zeit gekommen ist, zeigt sich darin, daß es in der Ukraine bereits ein Pendant gibt. Am 2. und 3. März 2007 tagte an der Christlichen Universität Donezk ein Kongreß, das auf eine seriose Bewertung der geschichtlichen Entwicklungen seid 1945 zielte. Die Tagung hatte die Losung „Sich der gesamten Geschichte erinnern“ (Pomni ves put) und wurde von 230 – auch weitgereisten - Teilnehmern besucht. Auch diese Begegnung zeichnete sich durch innige Umarmungen und Worte der Versöhnung aus. Vertreter der jeweiligen, baptistischen Kirchen beteten öffentlich für das Wohlergehen einer ihnen einst gegnerischen Kirche.

 

Die Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten, heute die größte baptistische Kirche Rußlands, vertritt 78.000 getaufte Christen in 1.930 Ortsgemeinden und Gruppen. General­sekretär der Union ist Pastor Juri Sipko (54).

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 23. März 2007

 

Eine Presseerklärung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 07-8, 729 Wörter.

Anmerkung von Mai 2021: Der aus der Ukraine stammende Pastor Walentin Wasilizhenko ist im Februar 2009 gemeinsam mit seiner vielköpfigen Familie in die USA ausgewandert.