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Keine Großevangelisationen mehr

Interview mit Juri Sipko, Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten

 

M o s k a u - In einem am 12. Juli veröffentlichten Interview mit dem Moskauer Internetportal „Die anderen Nachrichten“ versicherte Pastor Juri Sipko (Moskau), Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten, daß es nicht nur der russische Staat und die Russische Orthodoxe Kirche seien, die der Durchführung von evangelistischen Großveranstaltungen im Wege stehen. Dank der medialen Übersättigung erlebe Rußland einen „Verfall des Massenformats“. Auch bei Sport- und Theaterveranstaltungen blieben Stadien und Sälen leer. Sipko hält es deshalb für effektiver, wenn „jeder Gläubige auf seinem Platz zuhause, auf der Arbeit und unter Freunden“ mit seinem Leben und mit seinen Worten „seine Zugehörigkeit zum Reich Gottes bezeugt“.

 

Sipko will seine Bemerkungen keineswegs als Kritik an den gerade stattgefundenen Kiewer Großveranstaltungen mit Franklin Graham verstanden wissen. Doch bis auf Weiteres werde die russische Staatsmacht „eine derartige Massenveranstaltung nicht billigen“. Für drei Tage ab dem 6. Juli war Franklin Graham vor insgesamt 125.000 Zuhörern in Kiew/Ukraine aufgetreten. Im Oktober 1992 hatte sein Vater, der Evangelist Billy Graham, vor 155.000 Besuchern bei drei Veranstaltungen im Moskauer Olympiski-Stadion gepredigt.

 

Diese Haltung des Staates beschrieb Juri Sipko im Interview als eine „Beobachtung aus der Ferne“. Diese stellte er auch auf juristischer Ebene fest. In der Duma am 15. Juni hatte Sergei Rjachowski (Moskau), Bischof der charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelischen Glaubens“, eine gesetzliche Zuordnung der Freikirchen zu den traditionellen Kirchen Rußlands verlangt. Das bleib ohne Reaktion seitens des Staates. Nach Sipko bedeutet die staatliche Distanz im Alltag auch, daß Anschläge auf baptistische Einrichtungen nicht geahndet werden. Nicht nur aus diesem Grund folgert der Baptist, daß gegen demokratische Grundregeln verstoßen werde. „Bei weitem nicht alle können in unserem Lande mit dem gleichen Schutz seitens der Justiz und des Innenministeriums rechnen.“

 

Im Interview äußerte sich der Baptistenpräsident auch zu einem beliebten Volksthema: Wohin mit dem Leichnam Lenins? Obwohl er sich gegen jegliche kirchliche Beteiligung an populistischen Aktionen etwa zur spontanen Entfernung des Einbalsamierten vom Roten Platz aussprach und hinzufügte, daß sich Christen „außerhalb der Politik befinden“, müsse „Staub dem Staube übergeben werden“.  Man dürfe diese Art Fetisch „nicht mehr gestatten, unser heutiges Bewußtsein und das Bewußtsein unserer Kinder zu verdrehen. Es ist falsch, daß an einem zentralen Platz unseres Landes ein unbeerdigter Körper übrigbleibt, zu dem Tausende hinpilgern, um sich zu verneigen. Das ist für mich eine verwerfliche Erscheinung, die uns allen merkwürdig verkommen sollte.“

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 14. Juli 2007

 

Eine Presseerklärung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 07-21, 380 Wörter.