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Ein brasilianischer Fussballer, der Russisch kann

Nur abziehen, wenn Gott mich abruft

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Ein brasilianischer Fußballer will seinen Dienst in Rußland fortsetzen

 

Reportage

 

M o s k a u -- Am 25. November predigte Marcelo Mauricio Santos, ein Pastor der reformierten (presbyteriani­schen) Kirche, in der Zweiten Baptistengemeinde zu Moskau. Das sieht man nicht alle Tage in Rußland: einen Menschen schwarzer Hautfarbe, der in der Landessprache christliche Predigten hält. Doch leider ist das vielleicht schon bald Geschichte, denn am 10. Dezember muß er mit seiner Familie Rußland verlassen. Zuhause in Recife und Sao Paulo/Brasilien wird die Familie auf ein neues Visum warten. Doch Marcelo hat bereits Rückflugkarten besorgt. „Meine Arbeit in Rußland ist noch nicht zu Ende,“ erklärt er. „Es war Gott, der mich hierher geschickt hat, und ich darf nicht abziehen, bis er mich abruft.“

 

In Brasilien war Marcelo 16 Jahre lang professioneller Fußballer. Erst mit 32 Jahren hängte er die Schuhe an den Nagel und begab sich in die vollzeitige, christliche Mission. Nun hat Marcelo die meiste Zeit seit dem Jahre 2000 in Rußland verbracht – seine Tochter kam hier zur Welt. Von einer presbyteriani­schen Mission entsandt, greift Marcelo die Projekte der internationalen Sportlermission „Athletes in Action“ unter die Arme. In Moskau hat er die Fußballschule „Goal“ gegründet, die 10- bis 18-Jährigen die Taktik und Kniffe des brasilianischen Fußballs beibringt. Da fungiert er auch als Trainer für eine Fußballmannschaft der Zweiten Baptistengemeinde. „Meine Arbeit hier geht weiter,“ erklärt er. „Ich will die Trainer vorbereiten, damit sie auch ohne mich die Arbeit fortsetzen können. Ich will die jungen Laientrainer mit den professionellen Spielern bekannt machen, damit die Trainer helfen können, das Evangelium in den Profisport hineinzutragen.“                

 

Bei „Athletes in Action“ ist in Rußland der Laiensport (Fußball, Hockey, Volleyball, Basketball) gut entwickelt, doch nach seiner Überzeugung hapert es im professionellen Bereich. Aber Marcelo tut was er kann: Kommen bekannte brasilianische Fußballer nach Rußland, tourt er mit ihnen durch Schulen und Kinderheime – und die Gastgeber sagen niemals ab. Autogramme und Sportgegenstände werden verschenkt; „die Kinder sind immer begeistert“. Mit dem weltbekann­ten Revaldo, der einst für Barcelona spielte, war er schon öfters unterwegs. Nach Marcelos Angaben gibt es jetzt sechs gläubige, brasilianische Spieler im russischen Fußball. Mit einem von ihnen - de Souza Dudu (oder „Dudu“) von CSKA Moskau – geht er besonders oft auf Tournee. Das alles fällt Marcelo leicht, denn er stammt selbst aus einer berühmten Fußballerfa­milie. Sein Vater, Djalma Santos (geb. 1929), war ein Spielgefährte von Pelé in der National­mann­schaft und gewann gemeinsam mit ihm die Fußballweltmeister­schaften von 1958 und 1962. Sein Vater wird zu den besten 125 noch lebenden Fußballern der Welt gezählt.

 

Von den evangelistischen Möglichkeiten des Sports ist Marcelo richtig angetan. „Predige ich mit Anzug und Bibel, hören mir nur die Christen zu. Doch gestern zog ich die Uniform an und begab mich auf einen schneebedeckten Spielplatz. Gleich waren 20 Jungs dabei, die mitmachen wollten. Hinterher erzählte ich ihnen noch 20 Minuten lang von Gott.“

 

Aber es hängt eine schwere Wolke über den Dienst des eleganten, presbyterianischen Pastors: die Wolke des Rassismus. Mit Raufereien und Beleidigungen hat er ständig zu tun; es hat auch schon Knochenbrüche und Schnittwunden gegeben. Ständig „Affe“ genannt zu werden, gehört wohl zu den geringsten Vergehen. Von der Polizei erwartet er wenig Schutz. Ihm haben Polizisten mehr als einmal den Rat gegeben, sich zwecks Selbsterhaltung schleunigst in die angestammte Heimat zu begeben. Um Ehefrau Nilbe und die beiden Kinder nicht zu gefährden, rückt er ungern seine Wohnanschrift heraus. Moskauer Fußballmann­schaften zeigen ihm Erbarmen: Sie leihen sie ihm oftmals eins der Autos, die für ausländische Gastmannschaften vorgesehen sind. Wäre er auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, gäbe es keinen Tag ohne Zwischenfälle. Er sagt: „Die Verantwortlichen in meiner Mission hätten volles Verständnis, wenn ich die Zelte abbrechen würde. Sie meinen, ich lebe hier sehr gefährlich. Doch Gott ist mein Schutz. Mein Leben und Wohlergehen liegen in seinen Händen.“

 

Doch wohl am meisten tut ihm das Verhalten der russischen Glaubensgenossen weh. Es kommt z.B. bei Versammlungen vor, daß der Nachbar aufsteht und den Platz wechselt, wenn er Platz nimmt.  Einmal erzählte ihm ein Christ: „Du hast ein schwarzes Herz. Aber ich habe ein weißes Herz.“ Er hat Zeichnungen von Kindern christlicher Eltern gesehen, die alle bösen Leute als schwarz darstellen.

 

„Die Christen sind gegenüber dem Bösen viel zu passiv!“ ruft er aus. „Wo sind die Prediger, die gegen den Rassismus anpredigen? Wenn ich von meinem Leiden für Christus in diesem Lande erzähle, antworten meine Gesprächspartner: ´Sie sind ein toller Typ! Sie sind uns eine Ermutigung.´ Aber sie sind selbst nicht bereit, gegen das Grundübel des Rassismus aufzubegehren.“

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 30. November 2007

 

Ein Aufsatz der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 07-52, 725 Wörter

 

 

Anmerkung von Januar 2021: Meines Wissens ist Marcelo Santos seit 2008 nicht mehr in Rußland aktiv.