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15 Jahre Partnerschaft Uljanowsk - Krefeld

Wer einmal da war, kommt immer wieder

 

Reportage

 

M o s k a u / K r e f e l d -- Zupacken und nicht ewig auf kirchliche Bundeszentralen warten. Nach dieser Devise schaffte das Ehepaar Klaus und Inge Schilbach die wohl einzig funktionierende Partnerschaft zwischen einer Gemeinde des Bundes Evange­lisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) und einer Gemeinde der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB). Nach Fehlleitungen in Moskau war es einem Vertreter des Reisedienstes Intourist, der 1991 im Rahmen der Städtepartnerschaft Krefeld besuchte, zu verdanken, daß die EFG Krefeld in den Besitz der Adresse der Baptistengemeinde von Uljanowsk/Mittel-Wolga gelangte. Doch erst zwei Jahre danach konnte der Studiendirektor Schilbach richtig loslegen: Er wurde aus gesundheitlichen Gründen mit 56 Jahren Frührentner. Seit 1993 hat er nun zehnmal gemeinsam mit Freunden die weite Reise von Krefeld nach Uljanowsk angetreten. Es kommt auch aller zwei Jahre zu Gegenbesuchen.

 

Inzwischen haben die Krefelder mit geistlicher Ermutigung und finanziellen Spritzen eine Reihe von Projekten in der 300-Mitglieder-zählenden, von Pastor Alexander Akimowitsch Lewkowski geleiteten Gemeinde anleiern können. Neben humanitären Hilfslieferungen war die Fertigstellung des neuen Bethauses eine erste dringliche Maßnahme. Es folgten die Suppenküche sowie eine Arbeit mit Drogenabhängigen und in Gefängnissen. Dazu zählt neuerdings auch ein Frauengefängnis.

 

Wer in der Verfolgung zu überleben gelernt hat, ist nicht automatisch für den offensiven Dienst in einer pluralistischen Gesellschaft gerüstet. Klaus Schilbach, der sein Berufsleben im engen Kontakt mit staatlichen Behörden verbrachte, setzt sich deshalb für die Beziehungen der Gemeinde Uljanowsk zur Stadtadministration und zur Orthodoxie ein. Ist sein Besuch angekündigt, werden Besuche bei der Kommune – es besteht weiterhin eine Städtepartnerschaft – und der orthodoxen Kirche eingeplant. „Das könnte die Gemeinde sehr viel intensiver machen,“ fügt Schilbach hinzu. „Warum sich nicht viermal jährlich treffen?“ Doch inzwischen kommt es schon vor, daß die Gemeinde ohne deutsche Begleitung kommunale Vertreter aufsucht.

 

Der engagierte Gast aus Deutschland hofft auch auf engere Beziehungen zwischen Gemeinde und Universität. „Das muß sich alles in kleinen Schritten weiterentwickeln,“ sagt er. „Man muß mit den Leuten dort ins Gespräch kommen. Ein plattes Evangelisie­ren geht nicht.“ Auf jeden Fall hält er seine Schwestern und Brüder für „erstaunlich lernfähig“. Die langen Jahrzehnte der Abschottung hatten ihre Wirkung gehabt: Noch 1993 hielten manche Gemeindeglieder Fossilien am Uferstrand für das Werk teuflerischer Mächte.

 

Klaus Schilbach berichtet, daß alle Gelder für die russischen Projekte über die Kasse seiner Ortsgemeinde laufen. „Sie prüft jeden Cent – und die Stadt Krefeld gibt dazu nichts.“ Der an Rußland interessierte Freundeskreis hat weder Namen noch Sitzungen; das Nötige wird zwischen Tür and Angel abgehandelt.  Der „harte Kern“ besteht aus rund 12 Personen, es ist auch ein pensionierter, katholischer Polizist dabei. Manche Berichte über Uljanowsk erscheinen auf Tafeln und im Gemeindebrief; die örtliche Presse ist hin und wieder beteiligt. Uljanowsk ist als Geburtsstadt Lenins bekannt; Krefeld wegen seiner Mennonitengemeinde, die auf ein 400-jähriges Wirken in der Stadt zurückblickt. Doch an der Partnerschaft mit Uljanowsk sind die Mennoniten nicht beteiligt.

 

Von Bundeszentralen erwartet Klaus Schilbach wenig Unterstützung. Nach seiner Auskunft will sein eigener Bund fast nur mit Offiziellen verkehren – und er selbst sei ja nur Privatperson und Laie. Doch was Gott ihm vor die Füße legte, wollte er auch anpacken. Das fand nicht immer Zustimmung bei deutschen Kirchen und Missionsbehörden, die bereits ein missionarisches Programm entwickelt hatten, das auf Hilfe aus den Gemeinden dringend angewiesen war. Doch auch der Ort zwischen den Stühlen sei honorig, meint er: „Dann bin ich zu allen Seiten hin offen.“

 

Warum nehmen Inge und Klaus Schilbach am Lebensabend diese Mühen auf sich? Auf keinen Fall wegen der Bundesverdienstmedaille, die dem Ehemann 2005 für ehrenamtliches Engagement verliehen wurde. „Es sind die Liebe und Herzlichkeit dort, die Glaubenszuversicht gegen alle Vernunft; die Fantasie, mit der das Evangelium an den Menschen gebracht wird. Es kommt keiner zurück, der nicht geistlich bereichert worden wäre. Wer einmal da war, kommt deshalb immer wieder.“ Dafür liefert Klaus Schilbach noch Beispiele: „In der deutschen Gesellschaft und in unseren Gefängnissen kann man diese Offenheit gegenüber dem Evangelium nicht erleben. Wer aber dort ein Gefängnis besucht, kann sich vor Fragen nicht mehr retten. Dort reagieren die Menschen noch. Das macht Mut, mitzuhelfen und anzuschubsen. Uns bleiben die Gefängnisse in Uljanowsk offen. Der Leiter eines Gefängnisses ist sehr dankbar dafür, daß wir mit Gefangenen und auch Drogenab­hängigen arbeiten. Die Chancen bleiben riesengroß. Dort kann man Dinge ermöglichen, die in Deutschland nicht mehr gehen.“

 

Die Krefelder Initiative wächst: Im Sommer reisen zwei Gruppen von insgesamt 16 Personen zum 90-jährigen Jubiläum der Gemeinde Uljanowsk am 29. Juni. Dann feiert auch die Partnerschaft ihr 15-jähriges Jubiläum. Auf dem Nachhauseweg wird die Moskauer Bundeszentrale das Vorrecht haben, einen Teil der Gruppe erstmals empfangen zu können.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 26. Januar 2008

 

Eine Veröffentlichung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. (Das bedeutet jedoch nicht, daß jede leitenden Person des RUECB-Teams sämtliche in diesem Aufsatz enthaltenen Auffassungen teilt.) Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 08-03, 741 Wörter.