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Baptistische Mediziner haben Ziele

Hilfe am Anfang und am Ende des Lebens

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Baptistische Mediziner in Rußland haben einiges vor

 

Reportage

 

M o s k a u -- In der UdSSR war die Abtreibung die gängige Form der „Empfängnisverhütung“. Deshalb gibt es ältere Frauen, die bis zu 20 Abtreibungen hinter sich haben. Dagegen tun die russischen Baptisten etwas, und zwar mehrfach, denn es geht nicht nur darum, einer Schwan­geren die Abtreibung auszureden. Ihr „Programm wider die Abtreibung“ ist mit einer Schwangeren­beratung und einer Adoptionsinitiative gekoppelt. Diese Initiative schließt sogar ein Programm zur Aufnahme von Pflegekindern mit ein – eine für Rußland völlig neue Option. Dazu zählt die protestantische Aktion „Nimm ein Kind mit nach Hause“, die sich vor allem um die Aufnahme von Waisenkindern bemüht. Der Verein „Leise Stimmen“ kümmert sich um die Schwangeren­beratung.

 

Der Kopf hinter diesen Aktionen ist oftmals in einem kleinen Büro in der Moskauer Zentrale der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) zu finden. Dort sitzt eine sympathische Frau umgeben mit Kisten medizinischer Produkte und haut in die Computer­tasten. Es handelt sich um die pensionierte Kardiologin Dr. Walentina Grigorewna Belaschowa, Leiterin der „Christlichen Mediziner-Gesellschaft“ (Christianskaja Assotsija Medikow -  (ChRAM). Eigentlich gilt die Hauptliebe dieser emsigen Frau der Palliativmedi­zin  – ein wesentlicher Grund überhaupt für die Schaffung der CHRAM 1994. Sie berichtet, daß es bereits mehr als 70 staatliche Hospize im gesamten Ruß­land. Für Moskau selbst sind 10 vorgesehen; acht von ihnen arbeiten bereits. Die erst 1991 getaufte Baptistin erzählt: „Die Erfahrung der Orthodoxen in der Palliativmedizin sind uns von großem Nutzen. Im Gespräch über unheilbar Erkrankte sind sie zugänglicher und teilnahmsvoller als manche protestantischen Partner. Doch in den vorhandenen Moskauer Hospizen sind die Möglichkeiten einer geistlichen Betreuung – auch von Protestanten – durchaus gegeben. Aber ambulante Hospize, wie es sie in den westlichen Staaten gibt, sind noch Zukunftsmusik. Daß die gesamte Aufsicht, Pflege und Behandlung der Todkranken zuhause durchgeführt wird – das ist ein Traum, den ich noch habe.“

 

Der teils englischsprachigen Webseite der ChRAM (www.medichrist.ru) ist zu entnehmen, daß sie auf eine 18-jährige Tätigkeit zurückblickt. Damals hatte der Chirurg Professor Wiktor Grischkewitsch 300 christliche Mediziner um sich geschart; er wurde zum charismatischen Gründungsvater der „Christlichen Mediziner-Gesellschaft“. Doch bald emigrierte er in die USA. Seine Dachorganisation ist heute unter dem Namen „Gesellschaft der christlichen Medizi­ner“ (Obschestwo Christian-Medikow) bekannt und wird von dem baptistischen Professor Nikolai Didkowski geleitet. Sie bemüht sich u.a. um Gesprächsgruppen für Mediziner und Medizinstuden­ten in Sankt Petersburg, Samara, Kursk, Twer, Tula und Joschkar-Ola (nahe Kasan). Bereits seit 1990 besteht die eng mit der ChRAM verbun­dene Initiative „Steh auf!“, die sich mit der Rehabilitierung von Alkohol- und Drogenab­hängigen beschäftigt.

 

Neben der ChRAM befaßt sich auch das „Medizinische Zentrum Agape“ (www.agaperu.org) mit mobilen Kliniken, die u.a. den Hohen Norden und Fernen Osten des Riesenlandes bereisen. Agape wird von dem in Moskau wohnenden US-Amerikaner und Arzt Dr. Bill Becknell geführt. Außer ChRAM, Agape und „Steh auf!“ ist nur noch die protestanti­sche Organisation „Dienst der Barmherzigkeit“, die im Dorf Saltikowka unweit von Moskau ihren Dienst tut, für die medizinische Behandlung von Patienten zugelassen. Alle der genannten Initiativen müssen als staatlich-registrierte NGOs – nicht etwa als protestantische Einrichtungen – fungieren.

 

Es fällt auf, daß diese protestantischen Initiativen trotz Kontakte nach Amerika und Australien über wenige Beziehungen zu den baptistischen Medizinern Westeuropas verfügen. Obwohl z.B. deutsche Baptisten über breite Erfahrungen in der Palliativmedizin verfügen, war es der katholische „Malteser Hospiz- und Palliativberatungsdienst“, der im Oktober 2007 eine äußerst dankbare Dr. Belaschowa zu einer Tagung nach Berlin einlud. Besonders gefragt ist ihrer Meinung nach das Fachwissen ausländischer Mediziner über die psychologische Betreuung von Schwerkranken und deren Angehörigen. Sie schreibt: „Die Moskauer Hospiz Nr. 3 ist gerne bereit, gläubige Spezialisten aus dem Westen einzuladen, damit sie Vorträge über die psychologische Betreuung von Patienten abhalten.“ Überhaupt hält die Ärztin das Vermitteln von Fachwissen für ein besonders wertvolles Geschenk westlicher Fachkräfte.

 

Treuester westlicher Partner der ChRAM ist seit 1990 der Kasseler Professor, Mediziner und konservative Evangelikale Dr. Manfred Weise. Er ist Vorsitzender der kleinen Organisation „Christen im Dienst an Kranken e.V“. Häufig führt er Konferenzen zu Themen der medizinischen Ethik in Rußland durch; gelegentlich fährt er in einer mobilen Klinik mit.

 

Zu den nächsten Plänen der ChRAM gehört die Mitgestaltung von Konferenzen christlicher Mediziner. Das beginnt mit einer Konferenz in Kiew vom 1. – 3. Mai und wird von einer Tagung zum Thema „Das Christentum und die Lösung der sozialen Probleme der Gesellschaft“ in Sankt Petersburg vom 26. – 29. Mai gefolgt. Eine gesamteuropäische Konferenz findet im September in Österreich statt.

 

Mit einer Antwort auf die Frage nach den Hauptproblemen läßt die äußerst aktive Pensionärin nicht lange auf sich warten: Der staatliche Anspruch auf eine Rundumversorgung ist vorbei, doch bei vielen sei das noch nicht angekommen. „Wir müssen unsere Pastoren überzeugen, damit sie ihre Gemeindeglieder motivieren, sich an der diakonischen Herausforderun­g zu beteiligen.“

 

Für Außenstehende, die helfen wollen, bleibt die Wunschliste lange: Medikamente, Gehhilfen, Stimmgabeln, Blutdruck- und Zuckermesser. Gelder werden benötigt etwa für den Erwerb von Matratzen für Bettlägerige, das Drucken von medizinischer Literatur und die Durchführung von Konferenzen. Doch bei der pensionierten Kardiologin steht das geistliche Anliegen nicht hinten an. Das gemeinsame Bibelstudium und Gebet sei auch unter gestreßten Medizinern höchst erforderlich. Sie versichert: „Wir christlichen Mediziner mögen sehr verstreut in den verschiedenen Regionen Rußlands leben, doch in der Sache selbst bleiben wir eng beisammen.“

 

Walentina Belaschowa ist über die Adresse „belashova(at)mtu-net.ru“ zu erreichen. Ihre englischsprachige Kollegin Dr. Wera Schinkarenko hat die Anschrift „cvera(at)email.ru“.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 8. Februar 2008

 

Eine Veröffentlichung der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 08-05, 863 Wörter.