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Dürfen Orthodoxe gemeinsam mit Protestanten beten?

Nationales Gebetsfrühstück erreicht neue Höhen in Rußland

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Achtes Nationales Gebetsfrühstück ereignete sich in Moskau

 

M o s k a u – Das Nationale Gebetsfrühstück Rußlands, das sich am 18. März in der russischen Hauptstadt ereignete, hat neue Größen erreicht. Neue Rekorde wurden erzielt mit mehr als 350 anwesenden Geschäftsleuten, Pastoren und Politikern mittleren und oberen Ranges. Darunter waren auch 50 Journalisten. Sogar der landesweit geachtete Kinderarzt Leonid Roschal (Moskau), dem Terroristen die Betreuung von Geiseln in Beslan und im Moskauer Nord-Ost-Theater gewährt hatten, war erschienen.

 

Der Baptistenpastor Witali Wlasenko (Moskau), Vorstandsvorsitzender der Stiftung Nationales Gebetsfrühstück, merkte an: „Es sind viele Nichtprotestanten erschienen, um uns zuzuhören. Unsere Leiter werden geachtet, von der russischen Gesellschaft werden sie in zunehmendem Maße angenommen.“ Schon der Veranstaltungsort der letzten Jahre – das exklusive, staatseigene Präsident-Hotel, in das zahlreiche Staatsoberhäup­ter einkehren - spricht Bände. „Der Staat begrüßt unsere Anwesenheit,“ stellte Wlasenko fest. „Durch dieses Ereignis können wir bezeugen, daß wir Protestanten ein regsamer, gesunder und integraler Teil der russischen Zivilgesellschaft seien. Wir wollen dem Volk von unserer Arbeit und unseren geistlichen und moralischen Bestrebungen erzählen.“

 

Die russische Regierung hat das Jahr 2008 zum Jahr der Familie bestimmt – das war auch das Thema des diesjährigen Frühstücks. Vater Alexander Wasjutin (Moskau) von der Abteilung für Außenbeziehungen bei der Russischen Orthodoxie stellte umgehend Gemeinsamkeiten in den Belangen der Familie fest: „Es ist erstaunlich und angenehm, daß die christlichen Kirchen gemeinsam die Werte der Familie hochhalten können. In den Belangen von Familie und christlichen Werten ist es unerläßlich, daß wir zu einer gemeinsamen Sprache finden und zusammenarbeiten.“ Die Notwendigkeit der Kooperation unterstrich er mit der Angabe, daß 83% aller in Moskau geschlossenen Ehen geschieden werden. Ein protestantischer Pastor fügte später hinzu, daß jedes vierte Kind im heutigen Rußland außerehelich geboren werde.

 

Senator Alexander Torschin (Moskau), Vizepräsident des staatlichen Föderativen Rates, wies darauf hin, daß ohne kirchliche Mitwirkung die demographische Krise und generelle Schwäche der Familie nicht überwunden werden können. Dabei merkte er an, daß in evangelischen Familien offensichtlich der Problemfall Familie „erfolgreich gelöst“ worden sei.

 

Die Frühstücksleitung bemühte sich, Orthodoxen die Hand zu reichen. Eingangs wurde eine Schweigeminute eingelegt zum Gedenken des Metropoliten Laurus, des Oberhaupts der „Russisch-Orthodoxen Kirche außerhalb Rußlands“, der am 16. März im Bundesstaat New York verstorben war. Dabei sagte Pastor Wlasenko, der gleichzeitig Leiter der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen beim „Russischen Bund der Evangeliumschristen-Baptisten“ ist: „Laurus war ein mutiger Mensch; er tat viel für die Einheit der Kirchen.“

 

Doch die Pressekonferenz unmittelbar nach dem Frühstück führte den widersprüchli­chen Charakter orthodoxer Kirchenpolitik vor Augen. Anfang März hatte Erzpriester Wsewolod Tschaplin (Moskau), Stellvertretender Vorsitzender der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen beim Moskauer Patriarchat, in einem Interview gesagt, daß das gemeinsame Beten von Orthodoxen und Nichtorthodoxen unterlassen werden sollte. Dabei betonte er, daß es sich um seine persönliche Auffassung handele. Doch nun gab Pawel Okara (Moskau), Oberhaupt der pfingstlerischen „Russischen Kirche der Christen evangelischen Glaubens“ den Journalisten zu Protokoll, daß er im vergange­nen November bei einer ökumenischen Konferenz in der Nähe von Nairobi/Kenia wiederholt gemeinsam mit Tschaplin gebetet hätte. Er fügte hinzu: „Ich meine nicht, daß er jetzt seine persönliche Auffassung vertreten hätte. Das gemeinsame Beten ist ein Grunderfordernis, auch wenn längst nicht jeder gleich dazu bereit sein wird.“

 

Sergei Rjachowski (Moskau), Bischof der charismatischen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerichen Glaubens“, betonte, daß man in Phasen menschlicher Drangsal ohne gemeinsames Gebet nicht auskomme. „Mein Vater wurde dreimal wegen seines Glaubens inhaftiert. Im Gulag hat er wiederholt mit Orthodoxen Bischöfen und Priestern gebetet.“ Er fuhr fort: „Wir haben einen kolossalen Respekt vor dem kanonischen Recht. Doch meiner Meinung nach schafft Gott Situationen, in denen wir das Kirchengesetz umgehen und gemeinsam beten müssen. Ich gebe nicht alle Geheimnisse preis wenn ich sage, daß wir auch jetzt gemeinsam mit vielen orthodoxen Bischöfen beten.“

 

Juri Sipko (Moskau), Präsident der RUECB, fügte hinzu: “Wir vertreten die Auffassung des allgemeinen Priestertums. Das hält uns davon ab, das Beten einzuschränken.“

 

Während des eigentlichen Frühstücks hatte Nikolai Swanidse (Moskau) ein bekannter Fernsehkommentator und Abkömmling der ersten Ehefrau Stalins, versichert: „Es kommt der Tag, an dem die Vertreter der verschiedenen Konfessionen sich zusammenschließen werden, um den einen Gott zu ehren.“

 

Es handelte sich in Moskau um das achte Nationale Gebetsfrühstück Rußlands seit 1995; seit 2002 findet das Ereignis jährlich statt. Nationale Gebetsfrühstücke finden in mehr als 60 Ländern statt; die internationale Koordination wird jedoch auf ein Mindestmaß beschränkt. Das russische Ereignis wurde ausschließlich aus protestantischen, russischen Quellen bezahlt.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 21. März 2008

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 08-11, 708 Wörter.