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Gespräche zwischen Russland und Georgien

Eine notwendige Umarmung

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Zur Jahrestagung des General Council der Europäischen Baptistischen Föderation in Lissabon

 

Kommentar

 

M o s k a u -- Vor dem versammelten "General Council" der Europäischen Baptistischen Föderation (EBF) in Lissabon am 26. September haben sich Malkhaz Songulashvili (Tiflis), Erzbischof der Georgischen Baptistenkirche, und Witali Wlasenko (Moskau), Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) kräftig umarmt. Das geschah auf dem Hintergrund eines mehrstündigen Gespräches zwischen beiden und war Ausdruck einer Annäherung, die sich auf geistlicher Ebene vollzogen hatte. Im Verhältnis zwischen den Baptisten Rußlands und Georgiens ist eben mehr im Spiel als nur die moralische und politische Bewertung eines bedauerlichen Kriegs. Georgien machte die Erfahrung, ein kleiner Bruder im All-Unionsrat der Evangeliumschristen-Baptisten der Sowjetära zu sein - der große Bruder waren die Moskauer. Dieses und die kulturelle Öffnung der georgischen Baptistenkirche - sie versteht sich nicht mehr als Union - zur georgischen Orthodoxie hin boten mehr als genügend Gesprächsstoff für beide Seiten.

 

Es besteht weiterhin Klärungsbedarf. Da RUECB-Präsident Juri Sipko (Moskau) in Portugal nicht zugegen war, ist eine erneute Begegnung von Repräsentanten der georgischen und russischen Baptisten für Ende Oktober in Kiew vorgesehen.

 

Überhaupt macht das anhaltende Ost-West-Gefälle im europäischen Baptismus die EBF zu schaffen. EBF-Generalsekretär Tony Peck (Prag) und sein Team sind ehrenwerte Leute, die den Wunsch hegen, die Baptistenbünde Osteuropas im Rahmen der EBF voll aufgehen zu lassen. Das zeigte sich 2007 mit der Wahl des Kroaten Toma Magda (Cakovec) zum Präsidenten der EBF. Sein Nachfolger, der 2009 das Amt antritt, wird der Moldawier Valeriu Ghiletchi (Kischinau) sein.

 

Nichtsdestotrotz vermittelt die EBF den Eindruck, eine anglo-skandinavische Schlagseite zu haben. Das kann zum Teil sprachlich bedingt sein: Wer des Englischen nicht mächtig ist, bleibt bei den Tagungen der EBF am Rande. In der "Euro-Asiatischen Föderation der Unionen der Evangeliumschristen-Baptisten" herrscht der umgekehrte Fall vor. Dort gilt Russisch als die lingua franca und die russischen und ukrainischen Baptisten sind meistens federführend. Vielleicht dürfte man sie eine Art Ost-EBF nennen - bis auf das Baltikum und Georgien vertritt sie alle Bünde, die einst zur UdSSR gehörten.

 

Das Gefälle war aber auch an der Themenwahl zu erkennen. Christen und die Ökologie war das Hauptthema der diesjährigen Konferenz in Lissabon. Doch osteuropäische Baptisten sind noch dualistisch genug, um die Welt in mehr-und-minder-wichtige Themen zu teilen. Und für diese Kirchenführer zählt die Ökologie eben zu den weniger wichtigen Fragen.

 

Das Abendmahl ist für osteuropäische Baptisten eine bedeutende geistliche Angelegenheit. Sie bedauerten, daß das einzige Abendmahl, das Lissabon zu bieten hatte, von der georgischen Kirche nach einem orthodox-ähnlichen Ritus abgehalten worden ist. Vertreter westlicher Kirchen begeistern sich für die Kreativität und die kulturellen Integrationsbemühungen, die aus der Ecke des georgischen Baptismus hervorquellen. Doch da möchten die Osteuropäer lieber bei ihrer bewährten, in der Verfolgung geprüften baptistischen Identität bleiben.

 

Es hat gerade im Spätsommer 2008 zwei große baptistische Jugendkonferenzen gegeben: ein Jugendtreff- West in Leipzig und ein Jugendtreff-Ost in Odessa. Das war nicht unbedingt so gewollt - schon gar nicht in Leipzig. Preise und die strenge Visahandhabung in den Ländern des Schengener-Abkommens trugen dazu bei - doch vielleicht ist man auch lieber unter sich im weitesten Sinne.

 

Was ist zu tun? Man darf sich stark machen für die Vorstellungen und Wünsche der Unionen Mittel- und Osteuropas. Es ist klar, daß sie ohne die westlichen Bünde nicht mehr auskommen wollen - wer will schon Zustände wie im Kalten Krieg wieder haben? Das wäre eine Aufgabe für Pastor Valeriu Ghiletchi.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 7. Oktober 2008

 

Eine Veröffentlichung aus der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Es handelt sich jedoch um einen Kommentar und gibt genau nur die Einschätzung von William Yoder wieder. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 08-45, 542 Wörter.