· 

Erfundene Kirchenzeitung in Smolensk

Erfundene “Baptistenzeitung” aufgetaucht in Smolensk

-------------------------------------------------------------------------------------

Bürgermeisterschaftskandidat als vermeintlicher Baptist diffamiert

 

M o s k a u – In der westrussischen Stadt Smolensk habe offenbar mit den regierenden Kreisen verbündete Kräfte ein neues Mittel entdeckt, um lästige Oppositionskandidaten aus dem Wege zu räumen: sie als Baptisten diffamieren. Mitte Februar tauchte in der Stadt eine gefälschte Zeitungsausgabe auf, die sich des Logo des einst baptistischen Magazins „Protestant“ bediente und Gesichter mit völlig verkehrten Namen versah. Auf der Titelseite ruft Juri Sipko (Moskau), der Präsident der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB), die Smolensker dazu auf, den baptistischen „Bruder“ Sergei Maslakow zum Bürgermeister zu wählen. Doch Maslakow, sechsfacher Vater und Leiter einer Aktienfirma, die Wohnungs- und kommunale Dienste vermarktet, hat keine Beziehungen zu baptistischen Kreisen. Die in Smolensker Briefkästen vorgefundene Imitation gibt eine Auflagenhöhe von 70.000 an. Die verantwortlichen Kreise der RUECB sind überzeugt, daß Maslakows Chancen auf einen Sieg bei den Wahlen am 1. März damit auf Null zusammengeschrumpft seien.

 

Im ersten Beitrag lobt “Sipko” Maslakow dafür, im vergangenen Jahr “mehr als 2.000 Brüder, Schwestern und deren Kinder“ zum richtigen Glauben geführt zu haben. Mehrmals äußern die Zeitung und Maslakow die Hoffnung, Smolensk möge eine Hochburg baptistischen Einflusses innerhalb Rußlands werden. Zu diesem Zweck werden Missionare aus Sibirien und dem Westen nach Smolensk entsandt. Obwohl Maslakow allen ausländischen und nahezu allen russischen Baptisten unbekannt sei, soll Sipko versichern: „Alle Baptisten Rußlands und des Auslands fiebern mit Sergei Wasilewitsch und hoffen auf seinen Sieg. Mit der Stimme Sipkos schreibt die Zeitung: „Wahrscheinlich wird Maslakow der erste baptistische Bürgermeister Rußlands.“

 

Das Blättchen beschreibt die Baptisten als eine sittenfreie, liberalistische Gruppierung, die die Realität der Sünde bestreite. Weltbekannte, nichtprotestantische Fälle sexuellen Vergehens bei einem ledigen Klerus und Eheschließungen mit minderjährigen Mädchen werden den Baptisten zugeschoben. Die erdichtete Erwiderung des Bürgerschaftskandidaten lautet: „Das alles stimmt nicht. Aber Sie haben nicht das Recht, Ihre Nase in unsere Belange zu stecken. Räumen Sie Baptisten das Recht ein, in Frieden nach den eigenen Vorstellungen zu leben!“

 

Nicht weniger haarsträubend ist ein freierfundenes Interview mit Präsident Sipko über finanzielle Belange. Darin räumt er ein, daß eine massive Abhängigkeit vom US-Dollar bestehen bleiben werde in Anbetracht „der gewaltigen Aufgaben, die uns bevorstehen“. Mit keinem Wort über den Kreis mächtiger Russen, der tatsächlich über Schweizer Bankkonten verfüge, soll „Sipko“ aussagen: „Alle Baptisten zahlen auf unser Konto in Zürich ein. Aber das bleibt viel weniger als der Betrag, den die westlichen Kirchen zahlen.“ Der fiktive Sipko resümiert: „Der Dollar war, ist, und wird wohl noch lange das führende Hilfsmittel der russischen Baptisten bleiben.“ Alle Baptisten drücken ihre tiefe Dankbarkeit für westliche Spenden aus – „einschließlich jener von der amerikanischen Regierung“.

 

Mit einem Hinweis darauf, daß Kirill, der neue russische Patriarch, von 1991 bis 2008 Metropolit von Smolensk gewesen sei, beschreibt Witali Wlasenko, RUECB-Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen, das Machwerk als „verwerfliche Verabschiedung“ und „ungeheure Beleidigung“ des neuen Patriarchen. „Kirill war und ist ein Mann des Dialogs und des zwischenkirchlichen Friedens.“ Das erlogene Blättchen beschmutze das, was es zu verteidigen glaube: die Russische Orthodoxe Kirche. „Politische Betrüger versuchen, die ehrenhafte, 140-jährige Geschichte des Baptismus auf russischem Boden in eine Gruselgeschichte umzumodeln in der Hoffnungen, damit bestimmten politischen Parteien zu helfen bzw. zu schädigen. Sie säen Zweitracht und Haß zwischen den Konfessionen. Haben sie keine Ahnung davon, daß dieses jämmerliche Blättchen Tausende verletzten werde? Das Ganze ist häßlich und nicht im Geringsten zumutbar.“

 

Wlasenko drückt ebenfalls seine tiefe Enttäuschung über das offenkundige Unvermögen der Smolensker Staatsdiener, den Schuldigen auf die Spur zu kommen, aus. Baptisten haben sich bereits an verschiedene Ebenen der Staatsanwaltschaft und an die Administration des russischen Präsidenten gewandt. Doch die Attacke auf Maslakow beschränkt sich nicht auf Baptisten. Mit einem Hinweis auf die „Verletzung von Urheberrechten“ wurden am 19. Februar die Kandidaturen von Maslakow und einem weiteren Politiker für ungesetzlich erklärt. Maslakow ist gegen die Gerichtsentscheidung in Berufung gegangen.

 

Pastor Wlasenko bittet um den Rat von Experten in Rußland und anderswo darüber, wie Kirchen am besten auf deren Mißbrauch bei politischen Wahlen reagieren sollten.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 23. Februar 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-05, 640 Wörter oder 4.736 Anschläge mit Leerzeichen.