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Russische Baptisten kennen Ramsan Kadyrow in Tschetschenien

Eine große Chance zur Ehre Gottes nutzen

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Führender russischer Baptist besucht die tschetschenische Regierung

 

M o s k a u – Tschetschenien und seine Hauptstadt Grosny erleben einen rasanten Wiederaufbau – und daran sollten sich auch Baptisten beteiligen. Das war das Fazit von Pastor Witali Wlasenko (Moskau), Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB), nach einem Besuch in der einst von Krieg zerstörten Stadt vom 3. bis 5. April. Wlasenko war von dem tschetschenischen Hauptmufti Sultan Mirsajew, den er in einem gemeinsamen, staatlichen Studiengang in Moskau kennengelernt hatte, nach Grosny eingeladen worden. In Grosny besuchten Wlasenko und seine Gattin Jana ebenfalls Ramsan Kadyrow, den 32-jährigen Machthaber und Präsidenten der Republik Tschetschenien.

 

Danach berichtete Wlasenko in Moskau: „Die tschetschenische Regierung hat versprochen, uns beim Wiederaufbau zu unterstützen und ich bin der Auffassung, es sei angebracht, ihrer Einladung Folge zu leisten.“ Wir sollten diese große Chance zur Ehre Gottes nutzen. Wir sollten umgehend einen vollzeitigen Pastor dorthin entsenden, der die Ortsgemeinde wieder sammeln könnte. Es wäre unmöglich, von auswärts her vieles bewerkstelligen zu können.“ Bis zum Ausbruch des ersten Tschetschenienkrieges im Dezember 1994 hatte die Gemeinde rund 450 Mitglieder. Heute verbleiben nur einige wenige hochbetagte Damen, die Wlasenko zu seinem Bedauern nicht ausfindig machen konnte. In den Zwischenkriegsjahren (1996-99) wurde das zerstörte baptistische Bethaus teilweise wiederaufgebaut. Doch dann wurde die Arbeit eingestellt und bis heute nicht wieder aufgenommen. Das Gebäude hat ein neues Dach, doch alle Fenster und jegliche Isolation fehlen. Die juristische Eigentumsfrage ist ebenfalls noch nicht geklärt.

 

Ende des Jahres 2000 kam der zweite Tschetschenienkrieg zum Stehen. Pastor Wlasenko staunte nicht wenig über das Tempo des Wiederaufbaus und die positive Stimmung unter der Bevölkerung der Hauptstadt. „Die Leute ackern um die Uhr, um ihre Häuser und die Stadt wiederaufzubauen. Die Straßen sind pieksauber; nur am Rande der Stadt sind die Kriegsschäden noch sichtbar. Überall gibt es Kinder, und sogar die kleineren Kinder begeben sich ohne Erwachsenenbegleitung zur Schule.“ Die imposante neue Moschee im Zentrum der Stadt hat sich als Brennpunkt tschetschenischen Lebens etabliert. Die wiederaufgebaute russisch-orthodoxe Kirche wird sehr bald wiedereröffnet; zur Wiederkehr nach Tschetschenien werden die Russen aufgefordert. Es gibt sogar Gespräch darüber, die jüdische Synagoge wiederaufzubauen. In einem vertraulichen Gespräch versicherte ein leitender tschetschenischer Politiker gegenüber Wlasenko, seine Regierung wünsche einen für alle Glaubensrichtungen offenen weltlichen Staat – und keinen islamischen. Doch der Baptist ist sich nicht sicher, in welchem Maße sich die Ansichten des Politikers mit denen der Regierung insgesamt überschneiden.

 

Achmat Kadyrow, der Vater des jetzigen Präsidenten, hatte ab 2000 bis zu seiner Ermordung im Mai 2004 als inoffizielles und später als offizielles Staatsoberhaupt gewirkt. Ramsan Kadyrow wurde im Februar 2007 zum Präsidenten ernannt. Beide hatten im ersten Tschetschenienkrieg gegen die russische Armee gekämpft. Im Gespräch mit den baptistischen Gästen führte der jetzige Präsident den Seitenwechsel seiner Familie beim Ausbruch des zweiten Tschetschenienkriegs auf die Erkenntnis zurück, daß die Russische Föderation fest entschlossen sei, Tschetschenien nicht in die Selbständigkeit zu entlassen. Die Freiheit, wonach das tschetschenische Volk sich sehnte, ließe sich auch innerhalb des russischen Staatenbundes verwirklichen. Ferner sei das tschetschenische Volk von der Notwendigkeit überzeugt worden, sich gegen die zunehmend radikalisierten – und oftmals ausländischen – islamistischen Extremisten schützen zu müssen. Der jetzige Präsident verspüre weiterhin große Dankbarkeit gegenüber dem heutigen Ministerpräsidenten Wladimir Putin wegen seiner anhaltenden Unterstützung und Loyalität.

 

Angesichts des eindeutig negativen Rufs der Familie Kadyrow im Ausland räumt Wlasenko ein, er habe während seines kurzen Aufenthaltes nicht die Chance gehabt, „hinter die schicke Fassade zu schauen“. Der Baptist ist überzeugt, daß sich Christen es nicht erlauben dürfen, über die Verbrechen hinweg zu sehen, die jede bzw. alle Parteien begangen hätten. „Manche behaupten, der Krieg sei vorüber und man deshalb im Namen des Friedens die Vergangenheit ruhen lassen solle. Doch ein stabiler und anhaltender Friede läßt sich nur auf der Wahrheit aufbauen. Anwälten muß das Recht eingeräumt werden, Untersuchungen anzustellen. Die Fakten müssen auf den Tisch und die Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.“ Dabei gibt der Pastor auch zu bedenken, daß die Familie Kadyrow der Region eine Phase des Friedens und der Stabilität gebracht habe – zwei Werte von hoher moralischer Bedeutung. Er sagt: „Ich freue mich unwahrscheinlich, daß der Krieg und Aufstand vorüber sind und die Menschen wieder anfangen können, an der Erfüllung ihrer Träume zu arbeiten.“

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 7. April 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-12, 684 Wörter oder 5.020 Anschläge mit Leerzeichen.