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Russische Baptisten und der Westen

RUECB erwägt die Mitgliedschaft in der „Konferenz Europäischer Kirchen“

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Angehängt: Ein Kurzkommentar zu “Amsterdam 400”

 

M o s k a u  / A m s t e r d a m – Die Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) hat die Absicht, dem Unionsrat ihrer Kirche den erneuten Beitritt zur in Genf beheimateten „Konferenz Europäischer Kirchen“ (KEK) nahezulegen. Das ist ein Ergebnis der 13. Vollversammlung der KEK, die vom 15. bis 21. Juli in Lyon/Frankreich tagte. Nach einer Unterbrechung von etwa einem Jahrzehnt, hat die RUECB nun erstmals wieder an einer größeren Konferenz der KEK teilgenommen. In jüngster Vergangenheit hat sich die RUECB an den „Europäischen Ökumenischen Versammlungen“ der Kirchen beteiligt – die letzte fand im September 2007 in Sibiu/Rumänien statt. Diese sind jedoch keine KEK-Veranstaltungen im engeren Sinne, da sie von der katholischen Kirche mitgetragen werden.

 

Abgesandter der RUECB in Lyon war Pastor Witali Wlasenko – Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei dieser Kirche. Nach der Konferenz gab er zu Protokoll: „Die KEK ist für uns eine passende Bühne, auf der wir den Dialog mit anderen Kirchen führen können. Wir müssen erfahren, wohin der Wind weht und von den neuesten Entwicklungen hören. Wir müssen wissen, wie die anderen Kirchen denken und ihr Urteil bezüglich der kirchlichen Lage in Rußland erfahren. Rußland bleibt ein Teil Europas und es ist notwendig, daß wir unser Interesse und unsere Anteilnahme an dem, was sich in der kirchlichen Gemeinschaft Europas abspielt, zum Ausdruck bringen.“

 

Wlasenko bedauerte das Fehlen des Moskauer Patriarchats der “Russischen Orthodoxen Kirche” in Lyon und äußerte die Hoffnung, daß sie noch zu diesem 1959-gegründeten Forum europäischer Kirchen zurückkehren möchte. In Lyon fanden immerhin tiefergehende Gespräche zwischen ihm und den Vertretern anderer orthodoxer Kirchen statt. Gespräche mit westeuropäischen Baptisten und mit Dr. Edmund Ratz, dem Erzbischof der in St. Petersburg beheimateten Evangelisch-Lutherischen Kirche Rußlands (ELKRAS) erwiesen sich ebenfalls als besonders hilfreich.

 

Diskussionen im Plenum erweisen sich meistens als sehr langwierig – in Lyon waren immerhin 306 Kirchendelegierte zugegen. Wlasenko merkte dennoch an, daß viel von der KEK gelernt werden könne über den Aufbau transparenter und demokratischer Kirchenstrukturen.

 

In Amsterdam unmittelbar nach dieser Konferenz meinte Witali Wlasenko: „Ich denke, wir werden voranschreiten und im nächsten Frühling unserem Rat vorschlagen, wieder Mitglied der KEK zu werden.“ Auf dem Papier bleibt die „Euro-Asiatische Föderation der Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ Mitglied der KEK. Dennoch ruht ihre Mitgliedschaft und man geht davon aus, daß – vorausgesetzt, die leitenden Gremien stimmen zu – die RUECB diese Mitgliedschaft einfach übernimmt. Wlasenko meint, die Russische Orthodoxie müsse ebenfalls um ihre Meinung gebeten werden bezüglich einer Mitgliedschaft der RUECB in der KEK.

 

Wlasenko führt das anhaltende Zögern russischer Baptisten, sich interkonfessionellen Organisationen anzuschließen, auf die Angst vor einem möglichen Identitätsverlust zurück. Äußere Einflüsse könnten die Union in Richtungen lenken, die der Unionsführung nicht genehm seien. „Wir müssen sehr behutsam unter uns vorgehen und viel Zeit fürs Gespräch einräumen. Wir sind eigentlich für den Dialog, die Annahme und Friedensstiftung. Aber wir hegen noch die Angst, unsere Grenzen und unser Profil zu verlieren.“ Nach den Jahrzehnten erzwungener, unfreiwilliger Einheit unter kommunistischer Vorherrschaft wird es einige Mühe erfordern, russische Baptisten in die Gemeinschaft mit anderen Kirchen innerhalb und außerhalb Rußlands zurückzuholen. Auf jeden Fall wird für die absehbare Zukunft die Mitarbeit der RUECB im Rahmen der KEK nur mäßig bleiben.

 

Kurzkommentar zu Amsterdam

Langjährige KEK-Delegierte der deutschen Baptisten sind enttäuscht von der mangelnden Teilnahme russisch-orthodoxer Delegationen bei Konferenzen in den letzten Jahren. Kürzlich meinte ein Deutscher: „Ihre Delegationen erscheinen in Sitzungen, an denen erwartet wird, daß sie die Stellungnahme eines ihrer daheimgebliebenen Vorsitzenden vorlesen. Doch ansonsten sind sie kaum präsent. An den Diskussionen beteiligen sie sich nie.“

 

Beziehungen innerhalb der baptistischen Welt sind zweifellos herzlicher. Die in Prag beheimatete „Europäische Baptistische Föderation“ hat sich einige Mühe gegeben, die Unionen Mittel- und Osteuropas mit an Bord zu holen. Der scheidende EBF Präsident, Toma Magda, ist ein Kroate. Ihr Präsident seit Juli 2009 ist der moldawische Kirchendiplomat und Politiker Valeriu Ghiletchi. Rund 100 Ukrainer, Russen und Belarussen erhielten Visa für den Besuch der „Amsterdam 400“ Feierlichkeiten. Sie fanden vom 24. bis 26. Juli in Amsterdam statt. Doch mitunter ist die Teilnahme auch ein baptistisches Problem: Zu dem Abschlußgottesdienst in Amsterdam, dem Höhepunkt der Konferenz zum 400. Jubiläum des Baptismus, waren die Chöre aus Rußland und Ungarn sowie die allermeisten Ukrainer bereits abgereist.

 

Die anhaltende Distanz zwischen Ost- und Westeuropa läßt sich teilweise auf die sprachliche Problematik zurückführen. Die „lingua franca“ Westeuropas ist bekanntlich Englisch; im Osten nimmt das Russische weiterhin diese Funktion wahr. Wahrscheinlich seien große, kurze Konferenzen für das Kennenlernen von Menschen aus Ost und West wenig geeignet. Längerfristige, kleinere Zusammenkünfte zum Zweck der Begegnung und des Kennenlernens sollten erprobt werden.

 

Baptisten aus dem Baltikum – jedenfalls jene, die nicht zur russischen Nation gehören – sowie viele Baptisten aus dem Kaukasus haben bereits die Umstellung von einer östlichen auf eine westliche Orientierung vollzogen. Sie fühlen sich innerlich London sehr viel näher als Moskau. Das trifft jedoch nicht für die meisten Ukrainer, Russen, Belarussen und Protestanten aus Zentralasien zu. Eine zweite, slawische Jubiläumskonferenz unter dem Titel „Amsterdam 400“ findet vom 27. bis 29. August in Kiew statt.

 

Dr. William Yoder

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 31. Juli 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Zur Veröffentlichung freigegeben. Meldung Nr. 09-23, 815 Wörter oder 5.911 Anschläge mit Leerzeichen.