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Weihnachten in Rußland

Der jährliche Spagat zu Weihnachten

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Über das Begehen der Feiertage  in Rußland

 

M o s k a u --

 

1. Welche Bedeutung hat Weihnachten in der russischen Gesellschaft?

 

Erst jetzt entdecken die Russen Weihnachten wieder. Es gab überhaupt kein offizielles Begehen von Weihnachten in Rußland zwischen 1925 und 1992. Doch einige Weihnachtsbräuche wurden stillschweigend auf das Neujahrfest übertragen, um ihnen das Überleben zu sichern. Erst jetzt werden sie nach und nach auf das Weihnachtsfest zurück- (oder vorwärts!) übertragen. Die Wiedereinfuhr wird dadurch erschwert, daß Weihnachten, Neujahr und meistens auch Ostern zweimal begangen werden müssen. Lenin hat 1918 den gregorianischen Kalender von 1582 eingeführt, doch die orthodoxe Kirche hält sich weiterhin an den julianischen, nach dem der 25. Dezember an dem Tag stattfindet, den der westliche Kalender für den 7. Januar hält. Gegenwärtig beträgt der Unterschied zwischen beiden Kalendern 13 Tage. (Der julianische Kalender stammt von 45 vor Christus.)

 

Als Erbe der Sowjetära bleibt Sylvester – gefeiert nach dem weltweit anerkannten, gregorianischen Kalender – der Hauptfeiertag des Jahres. Der 25. Dezember ist kein offizieller Feiertag in Rußland, und erst zwischen dem 1. und 14. Januar wird kräftig gefeiert. Man sagt, zwischen Neujahr und dem „alten Neujahr“ (vom 1. bis zum 14. Januar) stehen die Räder in Rußland still.

 

2. In welcher besonderen Art und Weise feiern russische Baptisten Weihnachten?

 

Die Kirchen westlichen Ursprungs, in denen weiterhin die ethnischen Minderheiten beheimatet sind – die Katholiken, Lutheraner und Mennoniten z.B. - begehen Weihnachten fast ausschließlich am 25. Dezember. Andere, wie die Baptisten, die Wert auf ihre russische Identität legen, feiern zweimal. Wie Baptisten mit dem Kalender-Spagat zu Rande kommen, hängt von der Fantasie und Kreativität der baptistischen Führung vor Ort ab. Ein Freund teilt mit, in seiner Baptistengemeinde würden die letzten Stunden vor Mitternacht am 24. Dezember und am 31. Dezember auf den Knien im Gebet verbracht.

 

In seiner Baptistengemeinde feiert die Familie am Abend vom 24. Dezember, und der Hauptgottesdienst des Jahres findet am 25. statt. Baptisten benutzen den 7. Januar oftmals als Anlaß zur Evangelisation: Menschen werden von der Straße weg zum Gottesdienst eingeladen. Abends am 24. Dezember oder am 6. Januar werden Weihnachtslieder auf der Straße gesungen. Das passierte auch in den letzten Jahren der Sowjetunion, doch das Musizieren geschah oftmals nur im Gehen.

 

3. Was gefällt Ihnen an der russischen Weihnacht am meisten?

 

Die Weihnachtsgeschenke in Rußland bleiben bescheiden; ein Einkaufsrausch von mehrwöchiger Dauer bleibt aus. Auch der Advent mit seinen vier Sonntagen kommt kaum vor. Aber es gibt Geschenke für die baptistischen Kinder am 24. und dieser Abend ist bei den meisten baptistischen Kindern und Eltern die Sternstunde des Jahres.

 

Der Abend vom 6. Januar ist eine hervorragende Zeit für Baptisten wie mich, eine orthodoxe Kirche aufzusuchen. Dann wird die ganze Nacht hindurch gesungen. Der Kerzen strahlen und die getragenen, fast traurigen und höchst melodischen Lieder der orthodoxen Tradition erschallen bis in die morgigen Stunden hinein. Eigentlich passiert fast das Gleiche auch zu Ostern bei den Orthodoxen.

 

Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen der RUECB

Moskau, den 10. Dezember 2009

 

Eine Veröffentlichung der Abteilung für kirchliche Außenbeziehungen bei der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine einheitliche, offizielle Position der RUECB-Leitung zu vertreten. Meldung Nr. 09-39, 467 Wörter oder 3.181 Anschläge mit Leerzeichen.

Eine Anmerkung von September 2020: Es gab einen Protest nach diesem Aufsatz: Moskauer Kollegen versicherten mir, daß russische Baptisten anläßlich der orthodoxen Weihnacht keine orthodoxen Gottesdienste aufsuchen.