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Kirchen brauchen die zivile Fliegerei

Sicher abheben

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Christen bemühen sich um die zivile Fliegerei in Rußland

 

Reportage

 

M o s k a u – Dwayne King ist am Evangelium sehr stark interessiert – doch andere Dinge sind ihm ebenfalls wichtig. Dazu zählt die zivile, nichtstaatliche Kleinflugzeugfliegerei, die in USA „General Aviation“ genannt wird. Auch nach fast 20 Jahren bleibt der 67-jährige Pastor und Pilot davon überzeugt, daß die zivile Fliegerei eine führende Rolle bei der wirtschaftlichen Entwicklung Rußlands spielen muß. Aller Anfang ist klein und Kings Flugfirma, der „Kingdom Air Corps“, ist es endlich gelungen, ein Flugzeug von Seattle im Bundesstaat Washington nach Khabarowsk im russischen Fernosten zu verfrachten. Dort ist man dabei, den Neuankömmling zu lizensieren und registrieren. Das Fluggerät, eine Cessna 150, gehört dem Khabarowsker Geschäftsmann und Flugenthusiasten Anatoli Danielow. Danielow besitzt eine eigene Flugpiste und hat sogar sein erstes Flugzeug selbst gebaut: eine Piper Super Cub.

 

Die harten Realitäten der russischen Luftfahrt haben inzwischen bei King zu der Schlußfolgerung geführt, die russische Zivilfliegerei werde fast ausschließlich von einheimischen Piloten durchgeführt werden müssen. Deshalb hat King damit begonnen, Russen auf seinem Flugplatz und seiner Schule in King Ranch/Alaska, 130 km von Anchorage entfernt, auszubilden. Zu den 100 Piloten, die sich dort seit 2000 im Fliegen unter extremsten und primitivsten Bedingungen haben ausbilden lassen, gehören fünf Russen. Zu diesen fünf zählt Anatoli Danielow. Ein weiterer, enger Vertrauter ist Konstantin Rudoi, ein Physiker von der „Fernöstlichen, Staatlichen Transportuniversität“ in Khabarowsk. Diese Universität verfügt über eine Partnerschaft mit der „University of Alaska Anchorage“. King arbeitet ebenfalls bei einer Flugschule der Fluglinie „Aeroflot“ in Khabarowsk mit.

 

„Wr wollen Flugenthusiasten ermutigen und unterstützen,“ erklärte King per Telefon aus USA. „Wir wollen ihnen helfen, in einer sicheren, legalen und verantwortlichen Art und Weise zu fliegen.“ Der Pastor berichtet, nicht wenige russische Möchtegern-Piloten meinen, sie hätten sich mit Piloten-Spielsoftware und dem Internet das Fliegen selbst bereits beigebracht. „Viele Unfälle sind auf den Schulungsmangel zurückzuführen und das hat der zivilen Fliegerei in Rußland einen schlechten Ruf verpaßt.“

 

Die Hürden, die gegen die zivile Fliegerei in Rußland aufgetürmt worden sind, sind beachtlich. In einem Moskauer Gespräch stellte King fest: „Das größte Problem beim Abheben ist die Bürokratie. Der Himmel über den Osten Rußlands bleibt dem zivilen Kleinflugzeugverkehr verschlossen. Wir dürfen nur einen sehr engen, kontrollierten Raum befliegen. In Fernost muß jeder Flug offiziell abgefertigt werden. Und um überhaupt abgefertigt zu werden, müssen u.a. Meteorologen, Flugzeugwächter, Instandhaltung, Flughafenpersonal und den Funker bezahlt werden. Ein Kleinflugzeug von Alaska nach Khabarowsk zu überführen, kostet deshalb nicht weniger als $10.000.“ Das Gebiet um Moskau ist eine Ausnahme – dort wird der Kleinflugzeugverkehr größtenteils gestattet. Er ist allerdings äußert kostspielig.

 

Doch Anatoli Danielow ist weniger diplomatisch  In der Zeitschrift „Gran“ schrieb er vor kurzem: „In einer Zeit des Hungers und der Verzweiflung vor 80 Jahren trug die sowjetische Regierung zur Bildung des ersten Khabarowsker Aeroklubs bei. Sie rückte das Geld für den Flugzeugkauf heraus und jahrzehntelang unterstützte sie diejenigen, die fliegen wollten. Und alles war umsonst. Doch bekanntlich währen Träumer und Helden nicht lange. Sie sind gefolgt worden von Feiglingen und Zauderern, die Hunderte von Gesetzen und Bestimmungen schufen. Sie behaupteten, sie täten dies zu unserem Wohle bzw. zum Wohle des Staates. Sie haben Tausende von Aufpassern eingestellt mit dem Auftrag, für die Einhaltung der Gesetze zu sorgen. Doch um die Menschen sorgen sie sich nicht. Den Himmel sehen sie nicht – ihn haben sie nicht nötig.“

 

King ist es in den letzten 19 Jahren nur 16 mal gelungen, im eigenen Flieger das Meer zwischen Alaska und Rußland zu überqueren. King gibt an, er selbst habe einen der ersten Missionsflüge nach Rußland durchgeführt. Damals, am 1. September 1991, handelte es sich um die Überführung von Missionaren aus Nome/Alaska. Fliegende Missionsgesellschaften gelingt es gelegentlich weiterhin, zwischen Rußland und Alaska zu verkehren. Zu ihnen zählen  “SOAR International”, “MARC” (Missionary Aviation Repair Center) und “Samaritan’s Purse”. Bis vor kurzem unterhielt die „Missionary Aviation Fellowship“ ein Moskauer Büro für den logistischen Dienst. Nur mittelbar befaßte es sich mit fliegerischen Aufgaben. Heute verlagert diese Gesellschaft den Schwerpunkt ihrer Arbeit nach Sibirien. Kings “Kingdom Air Corps” (kingdomaircorps.org) gehört nicht offiziell zur in Michigan/USA beheimateten Mission “Send International”, doch die beiden arbeiten eng zusammen.

 

Trotz der erheblichen Hürden bleibt King davon überzeugt, daß sich der Aufwand lohne. „Von Russen gesteuerte Kleinflugzeuge sind mit Abstand der geeigneteste und günstigste Weg, einer straßenlosen Landfläche zu bedienen, die die zweifache Größe der USA (ohne Alaska) ausmacht.“ King merkt an, daß die schweren, alten, sowjetischen Hubschrauber, die weiterhin im hohen russischen Norden ihren Dienst tun, eine Stundenmiete von $1.500 US voraussetzen und dabei 379 Liter Benzin pro Stunde verbrauchen. Eine weitaus günstigere Option, das Renntier, hat allerdings eine Reisegeschwindig­keit von kaum mehr als vier Km pro Stunde!

 

Danielow wurde von seinem ersten Besuch in Alaska bei King überwältigt. In „Gran“ behauptete er, in Alaska sei die Kleinflugzeugfliegerei nicht weniger wichtig als das Auto. Beide Männer sind zutiefst davon überzeugt, die Kleinflugzeugfliegerei sei für die ökonomische Entwicklung des russischen Nordens und Fernosten unerläßlich. Den Beweis dafür liefere Alaska, das über ein ähnliches Terrain und Klima wie der russische Norden verfüge. King meint, der Wandel vollziehe sich erst wenn sich genügend politischer Wille angestaut habe. Erst dann, im Zuge einer generellen Öffnung des Landes für die zivile und private Fliegerei, werde auch die Missionsfliegerei abheben können.

 

Pastor King, der mit 20 Jahren Pilot wurde und mehr als 45 Flugzeugtypen beherrscht, wurde 1968 Missionspilot in Alaska. Er ist auch als Evangelist aktiv gewesen; von 1993 bis 2000 wohnte er vollzeitig in Khabarowsk. Heute pendelt er häufig mit den kommerziellen Fluglinien zwischen Alaska und Khabarowsk über Südkorea.

 

Dr.phil. William Yoder

Moskau, den 22. April 2010
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

 

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