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Baptistische Entwicklungen in Zentralasien

„Wir erleben eine segensreiche Zeit“

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In Moskau wurde über Zentralasien berichtet

 

M o s k a u – „Wir erleben eine segensreiche Zeit,“ stellte Pastor Genrich (Heinrich) Foth, Präsident des verfolgten Baptistenbundes von Kirgistan, bei der diesjährigen 53. Tagung der „Euro-Asiatischen Föderation der Evangeliumschristen-Baptisten“ fest. Sie fand im „Moskauer Theologieseminar“ vom 22. bis 24. April statt. „Wir wissen überhaupt nicht, was morgen wird, aber wir wissen, was wir zu tun haben. Wir erleben wundervolle Möglichkeiten, das Evangelium zu verkünden.“

 

Die Protestanten in den fünf zentralasiatischen Staaten, die einst zur Sowjetunion gehörten, haben vieles gemeinsam. Dazu zählt die zunehmende Repression seitens muslimischer Regierungen, die die muslimischen Einheitsstaaten von Iran und Saudi Arabien zum Vorbild nehmen. „Moscheen schießen wie Pilze aus dem Boden“ berichtete Pastor Foth. Nach seinen Angaben stünden im Lande 150 protestantische „Bethäuser“ mehr als 3.000 Moscheen gegenüber. „Wir verspüren allerseits den Druck der Muslime.“ Zahlreiche kirchenleitende Pastoren bekommen keine Ausreise mehr - zu ihnen zählt Wassili Korobow von den turkmenischen Baptisten. Die drei usbekischen Baptisten, die 2009 zu hohen Geldstrafen verurteilt worden sind (Pawel Peitschew, Dimitri Pitirimow und Jelena Kurbatowa), dürfen auf drei Jahre das Land nicht verlassen.

 

In mehreren Staaten wird in Wohnhochhäusern das Kommen und Gehen der Gäste festgehalten. Ein Gast aus Turkmenistan berichtete, sogar ein stilles Treffen zuhause am Kaffeetisch könne polizeilichen Argwohn erregen. Da seien solche Kreise darin geschult, alle verdächtigen Gegenstände – etwa Bibeln – beiseite zu schaffen sobald geklingelt wird. „Es ist viel schlimmer als zu Sowjetzeiten,“ versicherte der Gast.

 

Die Einfuhr christlicher Literatur ist inzwischen nahezu unmöglich, das Löschen von Festplatten und Flashsticks bei Grenzkontrollen keine Seltenheit. „In Rußland entdecke ich immer wieder eine hervorragende christliche Literatur,“ berichtete ein Gast aus Usbekistan. „Doch wie kann ich sie in mein Land schaffen?“ In den meisten Fällen lassen sich Kinder- und Jugendarbeit nur noch höchst inoffiziell nachgehen.

 

Hinzu kommt z.B. in Usbekistan eine üble, antiprotestantische Propaganda. Dort wird wiederholt eine Kurzsendung im Fernsehen gezeigt über eine konvertierte, einstige Muslima, die nach ihrem Unfalltod auf keinem muslimischen Friedhof beerdigt werden durfte. Schließlich mußte sie, so wird behauptet, auf freiem Acker den Jackalen zum Fraß überlassen werden. Der Kommentar lautet: „So wird es jedem Moslem ergehen, der den Glauben wechselt.“ Eine zweite Kurzsendung zeigt neben Aufnahmen leitender Baptisten in Ekstase geratene Charismatiker. Zwischen ihnen wird nicht unterschieden.

 

Angesichts des gemeinsamen Kontextes will Franz Tissen (Saran), der Präsident der Baptistischen Union Kasachstans, im Mai eine Konferenz für Mitarbeiter aus allen fünf Staaten durchführen. Da wird mit 150 Teilnehmer gerechnet; nur wenige Wochen danach sollen regionale Nachfolgekonferenzen in den jeweiligen Ländern stattfinden. Über die Regionalkonferenzen sollen bis zu 7.000 aktive Gläubige erreicht werden. Dies soll geschehen trotz aller politischen Labilität – beispielsweise ist die Grenze zwischen Kasachstan und Kirgistan weiterhin geschlossen.

 

In der Durchführung und Härte repressiver Maßnahmen bestehen jedoch Unterschiede. Ohne jegliche neue, gesetzliche Grundlage brach der usbekische Staat 2009 eine Reihe von Gerichtsprozessen gegen Christen vom Zaun. In Kirgistan jedoch wurde erst einmal im Januar 2009 eine neue gesetzliche Grundlage, die sich massiv gegen den Proselytismus richtete, geschaffen. Doch Genrich Foth berichtete, die Staatsorgane seien seitdem zu sehr mit anderen Aufgaben befaßt, um sich mit der kleinen Schar von Christengemeinden auseinanderzusetzen. „Im Juni 2009 fanden Präsidentenwahlen statt – also hatten wir bis Juli Freiheit. Dann gab es die Haupturlaubszeit, und wir hatten bis September Ruhe. Dann erhob sich der politische Widerstand und abermals war der Staat anderweitig beschäftigt.“ Bekanntlich hielten diese Unruhen lange an und führten zum Sturz der Regierung von Kurmanbek Bakijew am 7. April 2010.

 

In Moskau berichtete Pastor Foth: „Nach den Unruhen gingen wir mit Lebensmittelpa­keten in die Krankenhäuser, um Verletzte zu versorgen.“ Wir redeten mit dem Krankenhauspersonal. Wir evangelisieren noch mehr als früher; Kinderlager sind geplant. „Es wird ein gutes Jahr sein.“

 

Allerdings sind die Protestanten Kirgistans hinsichtlich der neuen Regierung von Rosa Otunbajewa nicht sonderlich optimistisch. „Es fehlt ein zündendes Konzept,“ meinte Pastor Foth. „Die alten Staatsvertreter hatten nur in die eigene Tasche gewirtschaftet. Wir haben noch keinen Beweis dafür, daß es beim neuen Staat anders wird.“

 

Ein Gast aus Usbekistan führte seine Verhaltensweise auf den Apostel Paulus in Apostelgeschichte 18,9 zurück: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht!“ Öffentliche, missionarische Veranstaltungen seien verboten, doch das Reden mit Arbeitskollegen lasse sich kaum verhindern. „Unsere Lage ist nicht einfach, aber wir wollen immer dort sein, wo wir sein sollten.“

 

Der Gemeindediakon aus Turkmenistan versicherte, man habe sich auf die neuen Bedingungen umgestellt und arbeite weiter. „Das ist dort meine Heimat, und wir kommen mit den neuen Umständen klar.“ Im ganzen Lande verstreut leben dort nur noch rund 400 Baptisten – da steht ein Reiseprediger angesichts der Entfernungen vor erheblichen logistischen Schwierigkeiten.

 

Der obige Gast aus Usbekistan berichtete mit Freude darüber, die neue Repressionswelle habe zu einem Zusammenrücken der historisch nichtregistrierten und registrierten Baptisten geführt. „Früher war das immer ein Kampf zwischen uns. Doch jetzt erleben wir die gleiche Verfolgung. Was sie trifft, trifft auch uns. Der Staat unterscheidet nicht mehr zwischen uns.“

 

Allerdings bleibt der Graben zwischen ihnen und den charismatischen Kreisen in der Regel erhalten. Nichtcharismatiker halten Charismatikern vor, ihren bisherigen Stil ohne Rücksichtnahme auf staatliche oder kulturelle Empfindlichkeiten durchhalten zu wollen. Als Genrich Foth nach der Zahl kirgisischer Protestanten gefragt wurde, zählte er die Charismatiker nicht mit - er nannte die Zahl 10.000.

 

Was können Christen, die es sehr viel leichter haben, zur Unterstützung dieser bedrängten Gemeinden tun? Die im Moskauer versammelten Gäste waren sich einig, daß an die jeweiligen Regierungen gerichteten Protestschreiben und Sorgenbekundungen willkommen seien. Der Staat und die Protestanten selbst sollen gleichermaßen zu verstehen bekommen, daß die Protestanten von ihren Freunden und Mitbetern in anderen Ländern nicht vergessen werden. Auch Besuche von Ausländern seien höchst willkommen – sie hätten die gleiche Wirkung.

 

Die Veranstalterin dieser Runde, die Euro-Asiatische Föderation, ist Überbleibsel und Ergebnis des Zerfließens des „All-Unionrats der Evangeliumschristen-Baptisten“ nach 1991. Nicht wenige vermissen die alte, breit angelegte und umfassende Gemeinschaft – erst recht die verfolgten Kleinkirchen Zentralasiens. Noch vor wenigen Jahren wurde über eine Einstellung der Arbeit der Föderation nachgedacht. Doch die Notwendigkeit, diesen Kleinkirchen beizustehen, hat in Moskau und Kiew zu einem Umdenken geführt. Es kommt hinzu, daß seit drei Jahren eine lebendige, russischsprachige, grenzüberschreitende, baptistische Jugendarbeit unter dem Schirm dieser Föderation entstanden ist.

 

Sekretär der Föderation ist der Moskauer Juri Apatow; gegenwärtiger Präsident ist Wjatscheslaw Nesteruk (Kiew), amtierender Präsident des größten baptistischen Bundes der Ukraine. Da nur zwei der fünf Bünde Zentralasiens (Tadschikistan und Usbekistan) der in Prag ansässigen Europäischen Baptistischen Föderation angehören; bleibt die Euro-Asiatische Föderation ein wichtiges Medium für den Austausch zwischen den einmaligen Mitgliedern eines einzigen, übergroßen Kirchenbundes. Weitere Informationen befinden sich unter: „www.e-af.org“.

 

Dr.phil. William Yoder

Moskau, den 30. April 2010
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

 

Meldung Nr. 10-12, 1.069 Wörter oder 7.971 Anschläge mit Leerzeichen.

Anmerkung von August 2020: Ende 2015 wanderte Juri Apatow nach Israel aus. Sein Nachfolger als General-Sekretär der Euro-Asiatischen Föderation ist Pastor Leonid Michowitsch aus Minsk.