· 

Russen sollten mehr Waise adoptieren

Rußland bei seiner demographischen Krise behilflich sein

------------------------------------------------------------------------------------

Russen sind auch fähig, Waisenkinder zu erziehen

 

M o s k a u – Nordamerikanische Christen sind bereit, Rußland bei der Lösung seiner demografischen Krise behilflich zu sein. Professor Lanny Endicott, Leiter der Abteilung für Sozialarbeit an der überwiegend charismatischen “Oral Roberts University” in Tulsa/Bundesstaat Oklahoma, ist der Ansicht, eine viel größere Anzahl der sozialen und faktischen Weisen Rußlands könnte innerhalb des Landes eine Heimat finden. Bei einem Gespräch im Moskauer „Russisch-Amerikanischen Institut“ am 28. Mai schlug der Professor die Schaffung von Maßnahmen vor, die russische Ehepaare ermutigen, das Adoptieren und Versorgen elternloser Kinder vor Ort zu wagen. Endicotts Engagement zuhause in Oklahoma im Rahmen des “Indian Child Welfare-Programms, das einheimischen indianischen Familien hilft, indianische Waise zu adoptieren, hat ihn davon überzeugt, daß Kinder möglichst nicht von ihren Wurzeln entfernt werden sollten.

 

Die USA haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten als ein Hauptaufnahmeland für russische Waise fungiert. Nur China und Äthiopien haben die Ausreise einer größeren Zahl von Waisen nach Nordamerika gestattet. Obwohl in USA die Adoptionszahlen für russische Kinder seit fünf Jahren abnehmen (2004 waren es 5.878; 2009 waren es nur noch 1.586), bleiben rund 750.000 der Minderjährigen Rußlands weiterhin „ohne elterliche Versorgung“. Nur ein Drittel dieser Kinder wird in öffentlichen Einrichtungen versorgt.

 

Im Jahre 2009 vermeldete Rußland eine geringe Bevölkerungszunahme – den ersten Zuwachs seit 15 Jahren. Doch bleiben die russischen Geburtsraten niedrig und die Sterberaten – erst recht bei Männern – hoch. Nach dem Gipfel von fast 149 Mio. Einwohnern im Jahre 1991 und trotz der massiven Einreise von Menschen russischer Nationalität aus den zentralasiatischen Staaten, bewegte sich die Bevölkerungszahl Anfang 2010 unterhalb von 142 Mio.

 

Das Problem

Dr. Endicott geht davon aus, daß in Rußland bis zu 80% der Beziehungen zwischen Kindern und Adoptiveltern scheitern. In den USA liegen die Zahlen – obgleich erschreckend hoch – deutlich niedriger. „Das Hauptproblem bleiben die Ressourcen,“ meinte er. „Kinder werden durchaus auch in Rußland adoptiert, doch die Ressourcen, die diesen Familien benötigen – Informationen über elterliches Verhalten, Ausbildung und gesundheitliche Versorgung – bleiben meistens aus. In Rußland muß deshalb das Ziel nicht nur darin bestehen, aufnahmebereite Familien zu finden - es muß gleichzeitig ein Unterstützungswerk geben für Eltern, die solche Kinder aufnehmen. Familien müssen andere Familien beraten, wie man mit Adoptivkindern umgeht. Waisenkinder bedürfen besonderer Fürsorge – sie leiden überdurchschnittlich stark an physischen und psychischen Beschwerden.“

 

Familien könnten sogar ein Entgeld bekommen, das einen Teil der Kosten des neuen Kindes abdeckt. Man könnte aber auch eine Lobbyarbeit betreiben, die das Sozialsystem des Staates dazu ermutigt, die Ersparnisse, die Waisenhäuser durch die Abgabe von Kindern erzielt haben, an die neuen Eltern weiterzuleiten.

 

In Moskau gab der Professor zu Protokoll, christliche Gemeinden in bestimmten Gebieten Oklahomas hätten eine Ein-Kind-pro-Gemeinde-Aktion gestartet. Das Endziel besteht natürlich darin, daß Gemeinden mehr als ein einziges Kinder adoptieren. Er berichtete von einer größeren russischen Gemeinde in Sankt Petersburg, die bereits sogar mehr als 100 Kinder adoptiert habe.

 

Nach Endicott bestünde ein erstes Ziel darin, ein geographisches Gebiet auszumachen, in dem neue Eltern ein Netzwerk schaffen könnten, um sich besser auszutauschen und gegenseitig zu beraten. Diese Familien und Netzwerke sollten durch ausgebildete, russische Mentoren unterstützt werden. Er meint, daß nicht nur er am „Ausbilden der Ausbilder“ beteiligt sein sollte – er kennt u.a. ein internationales Kinderwerk in Oklahoma, mit dem er häufig zusammenarbeitet. Er hält es für sehr begrüßenswert, wenn sich orthodoxe, katholische und protestantische Gemeinden in einer bestimmten Region zusammentun würden, um adoptierte Kinder und deren Eltern zu unterstützen.

 

Dem Professor aus Oklahoma schwebt das Gebiet Wladimir als Einsatzort für ein erstes Pilotprojekt vor. Endicott hat bereits dreimal Vorlesungsreihen am „Russisch-Amerikanischen Institut“ durchgeführt und hat dabei Beziehungen zu kirchlichen und staatlichen Einrichtungen in der Gegend von Wladimir, 200 km östlich von Moskau, geknüpft. Endicott möchte gerne mit der 2008-gegründeten Organisation “Orphan’s Tree” (siehe “orphanstree.org”) zusammenarbeiten, die sich um die Versorgung älterer Minderjähriger im Moskauer Raum bemüht. Ihr Gründer, George Steiner, ist auch mit dem in Colorado ansässigen Verein “Children’s HomeChest” verbunden.

 

Als unverbesserlicher Professor kann sich Endicott die Durchführung eines derartigen Projekts ohne wissenschaftliche Daten nicht vorstellen. Dazu sagte er: „Sehr oft verlieren wir den erzielten Wert unserer Arbeit wenn wir uns um keine seriöse Datensammlung bemühen. Sonst besteht unsere Arbeit nur aus Anekdoten – aus Erzählungen.“ Da möchte er gerne systematisch Informationen von den Eltern - und manchmal auch von den Kindern selber - nach dem ersten Halbjahr für einen gesamten Zeitabschnitt von bis zu drei Jahren sammeln.

 

Das gesamte Projekt würde über ein übergeordnetes und umfassendes Ziel verfügen, fügte der Professor hinzu. Es würde Kirchen und dem Staat mit einem gemeinsamen Anliegen ausstatten, das ihnen erlaubt, die eigenen Partikularinteressen zugunsten höherer und wichtigerer Werte zurückzustellen. Daraus ergäbe sich einen Gewinn ohne Verlierer für alle beteiligten Parteien.

 

Professor Endicott freut sich über die Vorschläge und Meinungen anderer. Seine Anschrift lautet: “lendicott@oru.edu”.

 

Dr.phil. William Yoder

Moskau, den 14. Juni 2010
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

 

Meldung Nr. 10-16, 768 Wörter oder 5.663 Anschläge mit Leerzeichen.