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Einschränkungen kirchlichen Lebens in Kirgistan

Auf der Suche nach Friedhofsruhe

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Die Lage der kirgisischen Protestanten bleibt unsicher

 

Bad Blankenburg -- Erst seit 20 Jahren gibt es in der mittelasiatischen Republik Kirgistan Christen kirgisischer Nation - bereits 20% der im Lande verbliebenen Baptisten sind Kirgisen. Doch wo können diese an Christus gläubigen Menschen beerdigt werden? Nach Landessitte werden Verstorbene in unmittelbarer Nähe der Verwandten beigesetzt. Aber zu Christus Bekehrte werden in der Regel aus der Familie verstoßen und verlieren somit ihren Anspruch auf Heimat und Bestattung. In mehreren Fällen mußten verstorbene Christen umgebettet und sogar heimlich beerdigt werden. Bei der Jahreskonferenz der Deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg Anfang August berichtete ein Mitarbeiter der kirgisischen Allianz, seine Organisation habe sich dieser recht neuartigen Aufgabe gestellt: „Wir verhandeln mit dem Staat über den Erwerb eines Grundstücks, auf dem protestantische Christen beerdigt werden können.“

 

Mit Angst und Bangen sehen die Protestanten Kirgistans den Landeswahlen am 30. Oktober entgegen. Der Gast in Bad Blankenburg erläuterte: „Wenn der Wahlsieger nicht schon von vornherein fest steht, ist die Möglichkeit einer gewalttätigen Klärung der Machtfrage wahrscheinlich.“ Rußland und die USA verfügen beide über Militärbasen in diesem strategisch wichtigen Lande – dessen politisches Schicksal hängt nicht zuletzt von den kommenden, außenpolitischen Weichenstellungen der Kirgisen ab.

 

In Bad Blankenburg versicherte der kirgisische Staatsbürger koreanischer Nation, die offizielle Präsidentin des Landes, Rosa Otunbajewa, sei nur Aushängeschild und verfüge über keine reale Macht. Er bezeichnete sie als ungebildet und meinte: „Als Politikerin respektiere ich sie nicht.“ Dr. Otunbajewa ist mit dem lutherischen Bischof Emeritus Gunnar Stalsett (Oslo) befreundet. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß das von Stalsett geleitete „European Council of Religious Leaders“ im Januar das Land besuchte und sich nun um die Bildung eines interreligiösen Rates bemüht. Auch die Baptistenunion Kirgistans ließ sich für das Vorhaben gewinnen, doch der Allianz-Vertreter auf Deutschlandbesuch räumte dem Vorstoß keine Chance ein. „Muslime und Orthodoxe halten sich beide für die Ersten im Lande – sie werden sich nicht einigen. Sie werden auch keine dritte religiöse Macht neben sich hinnehmen.“

 

Um hehre Ideale gehe es nicht, meinte der Gast. Nach der Revolution, die im April 2010 die Regierung des Kurmanbek Bakijew hinwegfegte, trat die Mafia noch viel stärker in Erscheinung. „Heute schnellen die Preise in die Höhe; die Wirtschaft wird immer schwächer; alles ist käuflich geworden; jeder hat mit seinem eigenen Chaos zu tun.“ Nun lassen sich Staatsbeamten für Leistungen – etwa die Registrierung einer kirchlichen Glaubensgemeinschaft – bezahlen, die laut Verfassung kostenlos seien. Doch die autonome, evangelikale Glaubensgemeinschaft des Allianz-Gastes verweigert sich jeder inoffiziellen Zahlung. „Wir zahlen auch keine Steuern,“ versicherte er. „Wir sind verfassungsmäßig getrennt vom Staat und schon deshalb steuerfrei.“ Doch diese konsequente Haltung werde durch manche zeitweiligen Missionare aus Südkorea, die ihren missionarischen Dienst durch Bestechungsgelder ermöglichen, untergraben. „Daraus schließt die Mafia, daß alle Protestanten imstande seien, Schmiergelder zu zahlen.“ Längst nachdem die Missionare nach Hause zurückgekehrt seien, hätten die einheimischen Protestanten die Folgen der geweckten Erwartungen auszubaden. Die Lösung des Problems stellte der Allianz-Vertreter wie folgt dar: „Nur Missionare mit einem religiösen Visum sollten Gemeinden gründen. Wer mit einem Studenten- oder Geschäftsvisum nach Kirgistan einreist, sollte nur seiner offiziellen Aufgabe nachgehen.“

 

Der Gast in Deutschland bezeichnet das Ende 2008 verabschiedete Religionsgesetz seines Landes als das radikalste im zentralasiatischen Raum. Es macht das Registrieren von Gemeinden äußerst schwierig; Minderjährige sollen von allen religiösen Veranstaltungen ferngehalten werden. Doch die politische Instabilität des Landes hat die Politiker bisher abgelenkt – es gab Wichtigeres zu tun als die kleinen protestantischen Kirchen mit einer gesamten Mitgliedschaft von rund 10.000 zu verfolgen. „Wir haben noch keine Erfahrung mit der Anwendung der neuen Gesetzgebung,“ erläuterte der Allianz-Vertreter. „Erst jetzt beginnen sie damit, das Gesetz anzuwenden.“ Da immer mehr gesetzliche Hürden den Staatsbeamten die Aussichten auf einen ungesetzlichen Nebenerwerb vermehren, wird mit diesem Kirchengesetz der Korruption Tür und Tor geöffnet.

 

Es ist nicht leicht, in einem Lande zu bleiben, in dem man sich nicht willkommen fühlt. Schon deshalb sind die protestantischen Gemeinden von der massiven Ausreisewelle mitbetroffen. Nur ein Bruchteil der Staatsbürger koreanischer Nation (etwa 15.000) befindet sich noch im Inland – sie waren unter der Intelligenz des Landes besonders stark vertreten. Seit 1987 ist die Zahl der Baptisten von 13.000 auf weniger als 3.000 zusammengeschrumpft. „Wir können unseren Leuten nicht sagen, daß sie bleiben müssen,“ versicherte der Gast aus Bischkek. „Wenn sie behaupten, Gott möchte es, daß sie ausreisen, dann fühle ich mich außerstande, ihnen zu widersprechen.“ Einst bestand die Bevölkerung zu 45% aus Menschen russischer Nationalität - heute ist es nur noch 9,1%. Neunundsechzig Prozent der Landesbevölkerung von 5,48 Millionen ist kirgisischer Nationalität. Rund die Hälfte der Usbeken, die in der Gegend von Osch im Süden des Landes lebten, ist ausgereist. Dort tobte im Sommer 2010 der Bürgerkrieg.

 

Zur Allianz

In Kirgistan läßt sich die im November 2006 gegründete Allianz als Arbeitsgremium der noch umfassenderen evangelischen „Assoziation“ des Landes verstehen. Die Allianz verfügt über einen ausgebildeten Anwalt und tritt auf Anfrage für die Rechte von Protestanten ein. Der Gast in Bad Blankenburg meinte: „Wir helfen Kirchen, wenn sie sich staatlich registrieren wollen. Wir sorgen dafür, daß alle Dokumente in Ordnung sind.“ Nur die Allianz ist offiziell zugelassen.

 

Die kleine lutherische Restkirche gehört nur der Assoziation an. Der traditionelle Pfingstbund bleibt Mitglied von beiden, doch die größte charismatische Gemeinde der Hauptstadt Bischkek, die „Kirche Jesu Christi“, wurde auf Grund moralischer Verfehlungen aus beiden Organisationen ausgeschlossen.

 

Hinsichtlich der unsicheren Zukunft fühlen sich die Protestanten Kirgistans vollkommen auf die Gnade Gottes angewiesen. „Wir bitten Gott um ein Wunder,“ versicherte der freundliche, junge Pastor aus Bischkek.

 

Dr.phil. William Yoder

Moskau, den 23. August 2011
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allianz

 

Eine Veröffentlichung der Russischen Evangelischen Allianz. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine offizielle Meinung der Allianz-Leitung zu vertreten. Meldung Nr. 11-15, 891 Wörter oder 6.508 Schläge mit Leerzeichen.