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Alexei Smirnow besuchte Deutschland

Alexei Smirnow: „Sommer – Eine Zeit der Erholung, nicht des Stehenbleibens“

 

Ausschnitt aus einem Interview mit dem Präsidenten der Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten im russischen Nachrichtendienst „Word for You“ am 30.8.2011.

 

Vor ein paar Tagen kehrte ich aus Deutschland zurück. Diese Reise war nicht nur dienstlicher Natur – sie war auch zum allgemeinen Kennenlernen gedacht. Mich hatte die Deutsche Evangelische Allianz zu ihrer Jahreskonferenz eingeladen, die in Bad Blankenburg, im Osten Deutschlands stattfindet. Dort befindet sich ein Erholungszentrum, das der Allianz von einer Baronin geschenkt worden ist. Das ist ein toller Ort für die Verkündigung, den diakonischen Dienst sowie die körperliche und geistliche Erholung kirchlicher Mitarbeiter. Es ist eine interessante Tatsache, daß vor 125 Jahren unsere russischen Kaufleute an der Finanzierung des Baus beteiligt waren.

 

Das war schon die 116. Jahreskonferenz. Gleichzeitig fand auch ein Zeltlager für Jugendliche statt. Auf der Konferenz wurden die verschiedenen geistlichen Dienstmöglichkeiten vorgestellt, mit denen sich die Allianz befaßt.

 

Mir war es wichtig, anzuschauen, wie sich der missionarische Dienst im Ausland abspielt. Mich hat die Arbeit der lutherischen Diakonissen besonders beeindruckt. Sie gehen aufopferungsvoll und ohne Lohn ihrer Arbeit in missionarischen Zentren und staatlichen Kliniken nach. Sie leisten den Bedürftigen – Kranken, Alkoholikern, Drogensüchtigen – eine freiwillige Hilfe. Mich begeistert und freut es, daß es in Deutschland so viele Menschen gibt, die ein opferbreites Herz haben.

 

Leider haben wir uns in Rußland daran gewöhnt, zu bitten und zu nehmen statt zu geben. Es ist unbedingt erforderlich, das Bewußtsein der Gläubigen zu ändern: Wir sind zum Dienen erlöst worden – nicht zum Erhalten. Die Schrift sagt ja: „Das Geben ist seliger als das Nehmen.“

 

An den Foren nahmen mehr als 1.000 Menschen teil. Mir war es angenehm, als ein Redner einen Politiker vorstellte. Auch er bediente sich der Sprache der Bibel und berief sich ständig auf das Wort Gottes. Die Kongreßteilnehmer nannte er „Brüder“ und „Schwestern“. Am Ende stellte es sich heraus, der Gast sei kein Geringerer gewesen als der Innenminister der Bundesrepublik Deutschland.

 

Das zeigte einmal mehr, daß die Mitglieder der Deutschen Evangelischen Allianz gar nicht mehr zu beweisen brauchen, daß sie vollwertige Bürger des Landes seien. Sie sind der Gesellschaft, die ihre Fähigkeiten auch beansprucht, in breitem Maße bekannt.

 

Es war ebenfalls wohltuend, sich die Begrüßung des örtlichen Bürgermeisters anzuhören, der stets mit Freude zu solchen Anlässen erscheint. Er sagte: „Ich bin Christ und deshalb bin ich auch froh, Gemeinschaft mit Ihnen haben zu dürfen.“

 

Leider gibt es in Rußland eine völlig andere Lage, in der viele Staatsvertreter sich den evangelischen Kirchen gegenüber so verhalten, als ob wir Staatsfeinde wären.

 

Auf die Konferenz habe ich die Leiter der Allianz kennengelernt; wir berieten über die

 

Möglichkeiten zur Zusammenarbeit. Ich hörte einiges über ihre Strategien zur Fortentwicklung der Arbeit. In Rußland sind wir vorerst außerstande, solche Konferenzen durchzuführen, in denen sich Vertreter der verschiedensten Konfessionen versammeln. Schon 1846 versammelten sich in Deutschland Vertreter der verschiedensten Konfessionen und sagten übereinstimmend: „Streitet nicht miteinander. Es genügt schon, daß die Welt mit uns streitet.“ Das ist meiner Ansicht nach eine gute Haltung.

 

Leider ist bei uns in Rußland die Situation viel komplizierter. Wir verstehen nicht, wie man zu verhandeln hätte; wie man gegenseitige Vorwürfe und Anschuldigungen vermeiden könnte. Gleichzeitig sind die russischen Baptisten auch konservativer und fordern die buchstäbliche Einhaltung der Gebote des Wortes Gottes.

 

Übersetzung: Dr. William Yoder

 

Mit dem Hinweis auf den „deutschen Innenminister“ ist wohl Volker Kauder, der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende im Deutschen Bundestag gemeint.