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Baptistisches Seniorenheim in Belarus

Noch lange nicht am Ende

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Das Kobriner “Haus der Barmherzigkeit” gibt nicht auf

 

Kommentar

 

M o s k a u / K o b r i n – Sechzehn Monaten nach dessen Eröffnung wartet das größte protestantische Seniorenheim Osteuropas weiterhin auf seinen ersten Bewohner. Am 26. Juni 2010 war das „Baptist House of Mercy“ (Haus der Barmherzigkeit) im Dorf Imenin nahe Kobrin/Belarus offiziell eingeweiht worden. Die Unterstützer eines Netzwerkes baptistischer Altenheime im Bundesstaat Missouri hatten mehr als $400.000 US für den Bau des großartigen Altenheims mit seinen 54 Plätzen gespendet. Zweiundfünfzig der Spender waren zur Einweihung des Hauses erschienen.

 

Die Kommunalpolitiker am Ort warten ungeduldig auf die Inbetriebnahme des Hauses. In einem Gespräch mit der Delegation aus Missouri am 3. Oktober 2011 versicherte Walentin Trubtschik, der Beauftragte für Kirchenfragen im Gebiet Kobrin: “Bitte teilen Sie uns mit, falls wir Ihnen irgendwie behilflich sein können. Wenn Ihre Warteliste zu kurz ist, können wir Ihnen gerne mit unserer eigenen Liste nachhelfen.” Er wies darauf hin, die Kommune habe dem Haus der Barmherzigkeit gestattet, bis zu 90% der Renten der Bewohner für die Pflegekosten einzubehalten.

 

Eine von Deutschland aus unterstützte Bäckerei, die Anfang 2011 nebenan aufgemacht worden ist, gibt morgens keine warmen Düfte mehr von sich. Ihre vorübergehende Schließung wird auf die hohen Mehlkosten zurückgeführt. Das sozialistische Belarus verfügt über eine Preisbindung für Brot – im Wettbewerb können private Bäcker nicht mithalten. “Das Hirn” hinter dem Seniorenheim und der Bäckerei, der baptistische Baufachmann Stepan Trubtschik (mit Walentin nicht verwandt), versicherte: „Wir können mit dem Backen wieder anfangen sobald wir eine kostenlose oder sehr preisgünstige Quelle für Mehl in unserer Umgebung gefunden haben.“ Im allgemeinen geht es dem 1995 gegründeten Kinderlager „Zhemtschuzhinka“ (Perlchen), auf dessen Territorium Altenheim und Bäckerei stehen, nur mäßig gut. Sowohl die landwirtschaftliche Produktion wie die Zahl der jährlichen Kinderlager haben abgenommen.

 

Bei den Gesprächen in Kobrin Anfang Oktober stellte Steven Jones, Präsident der “Missouri Baptist Home”, fest: “Ich denke, Management-Fragen sind die Hauptursache für die gegenwärtige Verzögerung.” Er und Roger Hatfield, Präsident der in Jefferson City/Missouri beheimateten Stiftung „Future Leadership Foundation”, vertraten die Auffassung, die Schaffung eines schlagkräftigen, ehrenamtlichen Vorstands würde dem Leiter des Kinderlagers, Pastor Wladimir Wanditsch, seine schwere Last nehmen. „Es ist ungerecht wenn alle Verantwortung für äußerst sensible Programmentscheidungen auf den Schultern von Bruder Wanditsch lastet,“ fügte Jones hinzu. „Der Vorstand muß die Hauptverantwortung übernehmen.“

 

Bei Begegnungen in Minsk am 4. Oktober bestätigten Vorstandsvorsitzender Josef Rakhovski, ein Vizepräsident der belarussischen Union, und Unions-Generalsekretär Nikolai Sinkowets ihre Unterstützung für das Kobriner Projekt. Danach berichtete Jones: „Beide stimmten überein, der Abbruch dieses Vorhabens würde der belarussischen Union ernsthaften Schaden zufügen in ihrem Werben um künftige Projekte bei in- und ausländischen Gebern. Außerdem besitzen Christen den biblischen Auftrag, bedürftige, ältere Menschen zu versorgen – erst recht wenn sie weder über Angehörige noch finanzielle Ressourcen verfügen.“  

 

Es kommt hinzu, daß der politische Wille baptistischer Kreise, sich für diakonische Projekte zu engagieren, sich mitunter als schwach erwiesen hat. Eine Hauptsorge besteht darin, diakonische Projekte könnten auf Kosten evangelistischer Bemühungen durchgeführt werden. Beispielsweise brachte die Moskauer Webseite der “Russischen Union der Evangeliumschristen-Baptisten” am 28. Juni ein Interview unter dem Titel “Ein Weg nach Nirgendwo?”, das sich kritisch mit der Diakonie auseinandersetzte. RUECB-Historiker Alexander Sinitschkin äußerte in diesem Gespräch die Sorge, die erfolgreiche baptistische Arbeit unter Drogenabhängigen “proletarischer” Abstammung könnte Bemühungen zur Erreichung der wachsenden Mittelklasse Rußlands beschneiden.

 

In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben Osteuropäer dazu geneigt, eher rasch und unüberlegt westliche Projektvorschläge gutzuheißen. Ein Beispiel hierfür ist das explosionsartige Entstehen theologischer Ausbildungsstätten in den 90er Jahren. Als weißrussisches Beispiel dieser Tendenz könnte das Haus der Barmherzigkeit gelten. Doch seit seiner Einweihung vor mehr als einem Jahr sind die Kostenvoranschläge deutlich nüchterner geworden. Damals war noch davon ausgegangen worden, die Renten der Bewohner würden alle Pflegekosten decken. Heute geht die Heimleitung davon aus, die Tageskosten von neun Dollar US pro Bewohner würden nur zu einem Drittel durch die Renten gedeckt sein. Das bedeutet ein Jahresminus von $80.000 bei 35 Heimbewohnern. Doch Jones bleibt davon überzeugt, die Spendenkapa­zitäten der Baptisten im weißrussischen Westen seien längst nicht erschöpft. Rund 40% der 13.900 Mitglieder der Union der belarussischen Baptisten wohnen im Gebiet Brest – zu ihm gehört auch Kobrin. 

 

Die Führungsebene aus Missouri vertritt die Auffassung, Stepan Trubtschik, der zugleich als Heimleiter fungiert, habe sich beim Drücken von Baukosten längst als ein wahrer Meister erwiesen. Ein katholisches Altenheim mit 40 Plätzen in Logischin unweit von Pinsk im Südwesten von Belarus soll mehr als $2 Mill. gekostet haben. Diese Einrichtung arbeitet erst seit Juni dieses Jahres und behauptet, das erste nichtstaatliche Seniorenheim des Landes zu sein.

 

Jones, der Logischin Anfang Oktober aufsuchte, sieht in den Verzögerungen beim baptistischen Vorhaben keine Ursache für übermäßige Sorge. Die Leitung des Zentrums in Logischin berichtete, das Nehmen aller bürokratischen Hürden hätte mehr als vier Jahre beansprucht. Stepan Trubtschik geht davon aus, das Kobriner Heim werde nicht vor Mai 2012 den Betrieb aufnehmen – andere leitende Personen rechnen mit nicht mehr als drei oder vier weitere Monate.

 

Die Bemühungen der “Future Leadership Foundation” um die Seniorenpflege sind nicht auf Belarus beschränkt. Die Stiftung ist ebenfalls dabei, am “Ukrainischen Baptistischen Theologieseminar” in Borislaw (West-Ukraine) ein Magisterprogramm mit dem Schwerpunkt “Dienst an Senioren” vorzubereiten. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit dem Akademischen Leiter der Einrichtung, Slawik Ryzh. Ryzh ist z.Zt. Doktorand am „Southwestern Baptist Theological Seminary“ in Dallas/Texas.

 

Dr.phil. William Yoder

Berlin, den 10. Oktober 2011
Pressedienst der Russischen Evangelischen Allian

 

Eine Veröffentlichung der Russischen Evangelischen Allianz. Sie will informieren und erhebt nicht den Anspruch, eine offizielle Meinung der Allianz-Leitung zu vertreten. Meldung Nr. 11-20, 850 Wörter oder 6.393 Schläge mit Leerzeichen.