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Neuer Vizepräsident bei den russischen Baptisten

Die Baptistenunion Rußlands verfügt über einen neuen “Zweiten Mann”

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Der 34. Kongreß der russischen Baptisten tagte in St. Petersburg

 

M o s k a u -- Die Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten hat einen neuen, leitenden Vizepräsidenten: Sergei Sipko. Auf dem vierjährlich stattfindenden Unionskongreß, der dieses Mal vom 28. bis 30. Mai in St. Petersburg tagte, wurde auch Alexei Smirnow als Unionspräsident für vier weitere Jahre im Amt bestätigt. Smirnow wird satzungsgemäß 2018 aus diesem Amt ausscheiden.

 

Nach Abschluß eines Theologiestudiums in Moskau hat Sipko (geb. 1974) die letzten 15 Jahre als Pastor in Omsk/Westsibirien verbracht. In den letzten neun Jahren diente er zusätzlich als leitender Pastor bzw. „Bischof“ im Omsker Gebiet – einer Hochburg evangelischen Lebens. Sergei Sipko, das zweite von 10 Kindern und der älteste Sohn von Juri Sipko, gilt als solider Manager und Seelsorger mit der Gabe des Zuhörens. Er verfügt nicht über die volkstümliche Redensart seines bekannten Vaters. Juri Sipko hatte von 2002 bis 2010 als Präsident der RUECB fungiert. Warnungen vor Vetternwirtschaft sind zu vernehmen, doch Sergei Sipko war nicht der erste Kandidat, den der Unionsrat für dieses Amt vorschlug.

 

Der leise wirkende Sergei Sipko – ein Meister der Untertreibung – versicherte in einem Gespräch, daß er „alle Amerikaner gut versteht, die mich auf Russisch ansprechen“. Doch seine Gattin, Jewgenia Sipko, erwiderte, daß er über ein exzellentes, passives Verständnis der englischen Sprache verfüge. Er und seine Frau haben vier Kinder; das älteste ist ein 14-jähriges Mädchen.

 

Nach vier Jahren in diesem Amt löst Sergei Sipko einen anderen Siberianer, den ehemaligen Direktor der Jugendabteilung des Baptistenbundes Jewgeni Bachmutski, ab. Es ist in diesem Kirchenbund nicht selbstverständlich, daß der Leitende Vizepräsident in das Präsidentenamt aufsteigt. Auch Bachmutskis Vorgänger als Leitender Vizepräsident, der Moskauer Seminardirektor Peter Mitskewitsch, hatte nie das höchste Amt inne. Die künftige Funktion von Bachmutski steht noch nicht fest. Ob die Union über weitere Vizepräsidenten verfügen wird, ist auch noch nicht entschieden. Es ist vorgesehen, daß Sipko ab September sein Amt vom Moskauer Büro aus wahrnimmt

 

Weitere Entwicklungen auf dem 34. Kongreß

Die größere, benachbarte All-Ukrainische Union von Kirchen der Evangeliumschristen-Baptisten wurde durch einen Vizepräsidenten, Igor Bandura aus Odessa, vertreten. Seine Anwesenheit wurde von den Delegierten mit Dankbarkeit - aber auch mit Selbstverständlichkeit – angenommen. Pastor Bandura gehörte zum kleinen Kreis von Unionsleitern, die mit Handauflegung Sipko und Smirnow feierlich in ihre Ämter einführten.

 

Zugegen war ebenfalls eine baptistische Delegation von der Krim. Es wurde unter der Hand behauptet, daß sich nur 20 der 68 Gemeinden auf der Halbinsel in einem ersten Anlauf bereit erklärt hatten, der Moskauer Union beizutreten. Doch Witali Wlasenko, Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der RUECB, hat bereits wiederholt versichert, seine Union werde keinerlei Druck auf die Gemeinden der Krim ausüben, um sie zum Anschluß an die Moskauer Union zu bewegen. Doch längerfristig wird eine Abtrennung von der Kiewer Union womöglich die einzige legale Option sein, die den Gemeinden der Krim übrigbleibt.

 

In Sankt Petersburg lebte die leise Hoffnung auf eine Rückkehr zur alten „status quo ante“ auf. Man hofft, die geostrategischen Spannungen der Gegenwart gehen vorüber und die Baptisten Rußlands und der Ukraine werden imstande sein, ihre Beziehungen in traditioneller Freundschaft und Eintracht fortzusetzen.

 

Akos Bukovszky, Abteilungsleiter für kirchliche Außenbeziehungen bei der Baptistenunion Ungarns, betonte in seinem Grußwort, daß sich seine Union allen Versuchen widersetzt, die russischen Kirchen vom Weltchristentum zu isolieren. Er fügte hinzu: „Wir Gläubigen verfügen über eine doppelte Staatsbürgerschaft. Unsere Hauptaufgabe besteht in der Förderung des Reiches Gottes.“ 

 

Im Privatgespräch betonte Bukovszky seine Zustimmung zur vergangenen und heutigen Rolle seines Landes. „Heute sind wir in gewisser Weise das schwarze Schaf der Europäischen Union – genau wie wir einst im Warschauer Pakt die gleiche Rolle einnahmen.“ Er begrüßte die Mitte-Rechts-Regierung des Viktor Orbán wegen ihrer Haltung zur Abtreibung und zur Förderung von Familien und anderen christlichen Werten. „Unsere neue ungarische Verfassung erwähnt Gott – die Verfassung der EU tut es nicht.“ Die gegenwärtige Regierung sehe in den Kirchen Ungarns Partner bei der Propagierung von geistlichen Werten. Dadurch wurde es der 11.000-Mitglieder-starken Baptistenunion möglich, die Leitung von 50 Kindergärten, Grund- und Oberschulen mit 20.000 Schülern und 2.000 Mitarbeitern zu übernehmen. Diese staatlichen Schulen tragen heute den Namen „baptistisch“ und evangelisieren höchst öffentlich. Eine dieser Schulen hat den Schwerpunkt Russisch und sucht Unterstützung durch baptistische Pädagogen aus Rußland. Bukovszkys Fazit: “Die Ernte ist groß, aber wenig sind die Arbeiter.”

 

Zur relativ kleinen Schar offizieller Delegierter aus dem Westen zählten Tony Peck, Generalsekretär der in Prag ansässigen Europäischen Baptistischen Föderation, Michael Rohde, Professor am Seminar des deutschen Bundes in Elstal bei Berlin, und Charles Jones von der in Pennsylvania beheimateten „American Baptist Churches“.

 

Kommentar

Eine “antieuropäische“ Ausrichtung zeigte sich ebenfalls in der 50-minütigen Predigt von Pastor Bachmutski am Eröffnungsabend. Darin gab er zu Protokoll, daß „der Liberalismus den russischsprachigen Raum bereits erreicht hat“. Diese Aussage ist mißverständlich, denn die klassisch-liberale Theologie eines Friedrich Schleiermacher oder Adolf von Harnack existiert in Rußland in kleinen Segmenten des Luthertums schon genauso lange wie der russische Baptismus überhaupt (150 Jahre). Nur die Gleichstellung des Komparativen „liberaler“ mit „Liberalismus“ – daß ein „liberalerer“ Mensch ein „Liberaler“ sei - macht es Konservativen möglich, die „Mainstream-Evangelikalen“ Rußlands als „Liberale“ zu etikettieren. Diese Auseinandersetzung spielt sich gegenwärtig an Stätten wie dem Moskauer Theologieseminar (MTS) der RUECB ab.

 

Der Petersburger Kongreß, abgehalten vor allem im baptistischen „Dom Molitwa na Poklonnoi Gorje“, war von bescheidenerer Größe und Dauer als der Kongreß im Moskauer Hotelkomplex Ismailowo vor vier Jahren. Diese Schrumpfung läßt sich jedoch nicht ohne Weiteres auf schwindenden Einfluß und schwindende Zahlen zurückführen. Der geographische Standort am Rande des russischen Gebietes und größere fiskalischere Vorsicht könnten die Hauptgründe für diese Entwicklung sein. In beiden Fällen waren bis zu 800 Delegierte zugegen. Die RUECB hat gegenwärtig 72.000 bis 76.000 erwachsene Mitglieder; beim ukrainischen Partner sind es mehr als 125.000.

 

Dr.phil. William Yoder

Smolensk, den 4. Juni 2014

 

Journalistische Veröffentlichung Nr. 14-07, 923 Wörter