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Spannungen zwischen Pfingstlern und der Baptistenunion

Eine einzige protestantische Stimme gibt es nicht mehr

 

Seit dem 23. September ist die in Moskau beheimatete „Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten“ nicht mehr Mitglied im führenden protestantischen Gremium des Landes: der 2002-gegründete „Konsultativrat der Leiter der protestantischen Kirchen Rußlands“. Die Bemühungen von Pfingstlern und Charismatikern, eine größere Anerkennung innerhalb der russischen Gesellschaft zu erreichen, erleben somit einen Rückschlag. Pfingstler und Charismatiker werden als die am meisten ausländische, protestantische Denomination des Landes angesehen; für eine verstärkte Anerkennung durch staatliche und orthodoxe Kreise waren sie auf die Zustimmung von Baptisten und Lutheranern angewiesen. Lutheraner und Baptisten werden noch am ehesten als traditionelle russische Religionen anerkennt - eine wichtige Feststellung unter Russen, die über das Eindringen westlicher Einflüsse unter christlichem Vorzeichen besorgt sind.

 

Eine einheitliche Stimme des russischen Protestantismus gibt es nicht mehr. Kirchenjournalist Roman Lunkin schreibt: „Ohne die Baptisten wird es dem Konsultativrat schwer fallen, sich als eine allrussische, protestantische Organisation zu bezeichnen.“ Die „Evangelisch-Lutherische Kirche“ bleibt Beobachterin im Konsultativrat, doch sein Erzbischof, Dietrich Brauer, äußert Verständnis für die baptistische Position.

 

Die RUECB schreibt in ihrer offiziellen Stellungnahme, daß Mitglieder des Konsultativrats „oftmals einen parteilichen Kampf innerhalb des Rats gefördert und somit den Mangel an Vertrauen und Offenheit vergrößert haben“. Und weiter: „Zahlreiche öffentliche Erklärungen -gemacht ohne die erforderliche Autorisierung im Namen aller Protestanten - haben persönliche und interkonfessionelle Beziehungen beschädigt.“

 

Kritische Beobachter behaupten, die “Vereinigte Russische Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerischen Glaubens“ (ROSChWE) und deren Bischof, Sergei Rjachowski, hätten sich bemüht, als Erste unter Gleichen zu fungieren. Doch Baptisten und Lutheraner haben sich unwillig gezeigt, ihnen diese Rolle zuzugestehen. Obwohl Rjachowski der protestantische Leiter ist, der sich am dezidiertesten hinter die gegenwärtige russische Regierung gestellt hat, ergreifen Orthodoxe in diesem Streit für die Baptisten Partei. Sowohl Baptisten als auch Orthodoxe irritiert der superlaute Disco-Sound, der charismatische Gottesdienste ausmacht. Er hebt sich massiv von der leisen und nüchternen Gottesdienstform, die in Rußland üblich ist, ab. Das herkömmliche Pfingstlertum hat eine jahrhundertalte Tradition in Rußland. Doch dank missionarischer Bemühungen war wohl die Mehrheit der Mitglieder der heutigen ROSChWE noch nicht protestantisch zu Zeiten der Sowjetunion und verfügt deshalb über keine heimische Tradition. Der Stil der heutigen Pfingstler und „Neo-Charismatiker“ unterscheidet sich von dem früherer Zeiten in Rußland.

 

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Dr. phil. William Yoder
Berlin, den 7. Oktober 2015

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