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Eine bemerkenswerte diakonische Arbeit

Amerika in Russisch-Fernost

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Die bemerkenswerte diakonische Arbeit des Alexander Kaiser

 

G w a r d e j s k -- Wenn eine russisch-orthodoxe Gegend um Neusiedler wirbt, ist sie oftmals am wenigsten über die pfingstlerischen Christen erfreut, die sich melden. Das gilt auch für das Amur-Gebiet nördlich der Grenzstadt Blagoweschtschensk, das direkt gegenüber von China liegt. Dort sind es auch nicht nur orthodoxe Gläubige, die Bedenken hegen: Eine Gemeinde der „Nowoe Pokolenie“ (Neue Generation)-Bewegung sorgt in der Grenzstadt wiederholt für negative Schlagzeilen. Diese 1989 von einem Russen in Riga/Lettland gegründete Denomination vertritt eine besonders radikale Form charismatischen Glaubens. Wegen theologischer Differenzen können in Rußland heute nur vereinzelt ihre Gemeinden unter den Schirm der offiziell zugelassenen „Vereinigten Russischen Union der Christen Evangelisch-Pfingstlerischen Glaubens“ (ROSChWE) schlüpfen.

 

Doch in der Stadt Belogorsk nördlich von Blagoweschtschensk und direkt an der Transsibirischen Eisenbahn sprengt der pfingstlerische Laienprediger Alexander Kaiser alle Stereotypen. Sein Rehabilitationszentrum kooperiert mit einem orthodoxen Frauenkloster; sie beschenken sich gegenseitig mit Lebensmitteln und gebrauchter Kleidung. Bei Bauvorhaben des Klosters fassen die Bewohner des Reha-Zentrums mit an. Der Gemeindesaal des Zentrums, es trägt den Namen „Quelle des Lebens“ (Istotschnik Schisni), ist schon zweimal Bränden zum Opfer gefallen. Doch dafür weist der Saal nun eine wunderschöne, von einem orthodoxen Priester gespendete Couch auf. Vom Zentrumsleiter ist nur Gutes über die orthodoxen Nachbarn zu hören. „Wir arbeiten bereits seit acht Jahren mit diesem Priester aus der Stadt Belogorje zusammen. Er ist ein wirklich guter Mensch.“

 

Auch die Kommune ist mit von der Partie: Jedes Jahr gewährt der Bürgermeister dem Zentrum eine Spende. Sogar der russische Präsident Wladimir Putin hat 2014 der Arbeit eine Spende über mehrere hunderttausend Rubel zukommen lassen. Das 2004 gegründete Zentrum ist längst nicht nur für Suchtkranke da; auch chronisch Kranke, Sterbende, Verstoßene und Obdachlose finden dort eine dauerhafte Bleibe. Dank orthodoxer Unterstützung konnte die Arbeit 2016 eine ehemalige Schule in Blagoweschtschensk übernehmen, die heute als Hospiz fungiert. Somit nimmt das Zentrum für Stadt und Polizei Aufgaben wahr, die die Kommune gerne an Freiwillige abgibt.

 

Moskau ist weit (7.700 km von Belogorsk), und die „Quelle des Lebens“ verspürt keine Auswirkungen von den repressiven, 2016 verabschiedeten „Jarowaja-Gesetzen“. Offensichtlich ziehen Aufrichtigkeit und guter Wille erfreuliche Folgen nach sich.

 

Inzwischen verfügt „Quelle des Lebens“ über drei Standorte: Neben den rund 60 Bewohnern am westlichen Rand von Belogorsk gibt es weitere 45 im Dorf Woronscha nordwestlich von Belogorsk. Das Hospiz in Blagoweschtschensk (der Name der Stadt bedeutet „die Frohe Botschaft“) hat meistens um 50 Patienten. „Bei uns bleiben die Zahlen recht stabil,“ versichert der Leiter. „Wir haben stets mit rund 150 Bewohnern zu tun.“

 

Kaiser freut sich darüber, daß seine Arbeit relativ hohe Erfolgszahlen aufweist: Rund 20% der Suchtkranken gelingt es, sich dauerhaft von ihrer Sucht zu befreien. Das vergleicht er mit den Zahlen eines Gastes aus Australien. Trotz erheblicher finanzieller Unterstützung seitens des Staates gelingt es nur rund 2% der Klienten in jener australischen Einrichtung dauerhaft frei von Suchtmitteln zu leben. „Quelle des Lebens“ bekommt keine regelmäßige Unterstützung von staatlichen Stellen.

 

„Wir haben bereits 45 Hochzeiten erlebt,“ freut sich der Direktor. Viele der Paare sind inzwischen auch Eltern geworden. Er ist überzeugt, daß eine Reha-Arbeit ohne Glauben nicht möglich ist. „Ohne Glauben geht gar nichts – ohne Jesus wird nichts gelingen.“ An den drei Orten verfügt das Werk über 13 vollzeitliche Mitarbeiter; alle sollen aus der Reha-Arbeit stammen. Auch Kaiser war selbst 15 Jahre lang Alkoholiker. „Alle Mitarbeiter sind unsere eigenen Leute. Nur sie können die Versuchungen und Leiden der Betroffenen verstehen.“ „Das Gläubigwerden ist immer ein Prozeß,“ versichert der Direktor. „Bei manchen dauert es nur ein Jahr, es kann aber auch fünf oder 10 Jahre in Anspruch nehmen. Jeder hat seinen eigenen Werdegang.“

 

Im ersten Jahr wird erwartet, daß der Suchtkranke auf dem Gelände wohnt und nur dort arbeitet. Im zweiten Jahr darf er/sie auch außerhalb arbeiten und wohnen. Jeder soll nach den eigenen Möglichkeiten zur Selbstversorgung beitragen – was auch für gehörlose und blinde Klienten zutrifft.

 

Das Zentrum in Belogorsk verfügt über 60 Hektar Land. Gemüse, Soja und Kartoffeln gehören zur Ernte. Auch 80 Schweine, 20 Kühe und 500 Gänse sind mit von der Partie. Häuserbau gehört zu den weiteren Beschäftigungen der Bewohner.

 

Alexander Kaiser sieht das Geld als die Hauptsorge bei seiner Arbeit. Obwohl der Staat einerseits den Häusern unter die Arme greift, verlangt er andererseits Strafgelder von ihnen, wenn Bauvorschriften nicht eingehalten werden. Die Häuser erhalten keinerlei Geld vom Ausland und der Direktor verfügt weder über eMail-Anschrift, Webseite noch Visitenkarte. Neben orthodoxen Kreisen sind es die 33 Pfingstgemeinden der „Nordöstlichen Union evangelischer Christen“ (SWSTsECh auf Russisch), die für das Spendenaufkommen sorgen. Diese Union fungiert unter dem Schirm der in Moskau beheimateten ROSChWE – nicht der Nowoe Pokolenie.

 

Das Scheiden der Geister

Geboren 1961 in Kasachstan, verbrachte dieser Rußlanddeutsche 25 Jahre seines Lebens im frigiden Jakutien; dort kam er auch in der Stadt Nerjungri/Südjakutien zum Glauben. Die dortige Pfingstgemeinde hat ihn 2003 als Missionar in die 1.000 km südlich liegende Stadt Belogorsk entsandt.

 

Er erzählt von einem Besuch gemeinsam mit in Deutschland lebenden Verwandten in dem Dorf, das im 18. Jahrhundert rund 30 Mitglieder der Sippe Kaiser nach Rußland losschickte. „Sie kamen nicht nur zum Arbeiten hierher,“ versichert er. „Sie wollten auch das Evangelium verkünden. Wieso kann ich nun wegfahren, wenn meine Vorfahren explizit nach Rußland gekommen sind, um hier das Wort Gottes zu verbreiten?“ Deren Mandat und Mission sind niemals erloschen.

 

Alexander Kaiser versichert, er könne gar nicht anders, als sein Leben den Schutzbedürftigen zu widmen. Einen Glauben ohne Einsatz für die Schwachen kann er sich nicht vorstellen. Doch gleichzeitig will er nicht über jene richten, die eine andere Glaubensauffassung vertreten. Baptistische Kreise sind – jedenfalls bis heute – nicht an seiner Arbeit beteiligt.

 

Ein leidenschaftlicher Einsatz spaltet die Geister. Vor zwei Jahren erlebte die große Gemeinde auf dem Gelände eine Spaltung. Rund 70 Glieder ertrugen das Remmidemmi mit den Suchtkranken und Bedürftigen nicht mehr – sie hatten bereits zwei Hausbrände hinter sich. Sie zogen in eine andere Gemeinde, wo das Leben ruhiger und erträglicher erscheint. Es blieben 130 Glieder zurück. „Das war in Ordnung“, versichert Kaiser. „Wir arbeiten weiterhin zusammen.

 

Leider haben sich auch in der eigenen Familie die Geister gespalten. Kaisers Ehefrau hat es gereicht, und vor wenigen Jahren zog sie mit den beiden fast erwachsenen Kindern nach Vancouver/Kanada um. Er geht davon aus, daß sie nicht nach Fernost zurückkehren werden. „Hier an diesem Ort befindet sich mein Amerika,“ versichert der Daheimgebliebene.

 

Alexander Kaiser und sein Werk können über Whatsapp und die Handynummer +7 924 681 1536 erreicht werden. Allerdings spricht er nur Russisch. Weitere Angaben gibt es auf Russisch unter der Adresse „map.drevolife.ru/org/4653“.

 

Dr. phil. William Yoder
Berlin, den 13. November 20

 

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