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Über die sehr scharfe Kritik an Rußland

 

Die Grünen und ihre Kirche

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Wer kann uns noch retten?

 

L a d u s c h k i n -- Bei einem Treffen des Gustav-Adolf Werks in Berlin am 10. Februar mit kirchlichen Amtsträgern aus Sibirien wurde den Teilnehmern empfohlen, die Ausgabe Januar 2020 der evangelischen Zeitschrift „Zeitzeichen“ zur Lektüre mitzunehmen. Dem Vorschlag folgte ich und stieß umgehend auf einen Aufsatz unter der Überschrift: „Tschekist mit Leib und Seele“. Dabei schlugen mir folgende Sätze und Überschriften entgegen: „Wladimir Putin huldigt Stärke. Danach beurteilt er Menschen und Staaten. Kompromisse kennt Putin nicht, er hält sie eher für eine westliche Schwächeerscheinung.“ „Die Schwächen des Westens sind Putins Startrampen.“ „Alles ist gleichgeschaltet.“ „Jede Form regionaler Selbstständigkeit war dem Kreml ein Dorn im Auge.“ „Ein Tschekist war er, ein Geheimdienstler – mit Leib und Seele.“ „Daher fürchtet der KGB-Mann Putin selbständige Bewegungen der Untertanen.“ „Er wollte die ‚Diktatur des Gesetzes’, doch das Gesetz blieb auf der Strecke.“ „Er rettete den Diktator Baschar al-Assad.“ „Er annektierte die Krim und besetzte im Anschluß die Ostukraine.“ Es gibt die „krude Ideologie des Kremlchefs“; Putin betrauere sogar den Verlust der Supermacht-Stellung seines Landes - die Auflösung der UdSSR.

 

Doch warten wir ab – es ist nicht alles verloren, versicherte der Autor. „Trotz langjähriger Haftstrafen“ begehre die Jugend auf! „Der Krim-Bonus trägt nicht mehr.“ „Selbstständiger, unabhängiger und furchtloser ist diese Jugend geworden.“

 

Kommentar

Sollte man den Vorwürfen einzeln nachgehen? Der eigentliche Skandal sind nicht die Äußerungen des Autors, sondern die Tatsache, daß maßgebende evangelische Kreise derartige Texte veröffentlichen. Autor war der langjährige Moskauer Korrespondent der TAZ, Klaus-Helge Donath. Wie beklagenswert, daß die Grünen und ihre Kirche massiv vom Friedenspfad abgekommen sind! Die Friedensbemühungen von vor 40 Jahren sind zur Makulatur geworden. Nun geht es um die humanitäre Intervention – mit und ohne Waffen.

 

Dabei hat man vergessen, daß Vertrauen mehr Frieden schafft als Waffen. Es ist ja keine Drohkulisse, die Frankreich die Angst vor einem Überfall aus deutscher Richtung nimmt. Es gibt Stimmen der Vernunft: Friedrich Merz, Willy Wimmer, Jürgen Todenhöfer (alle CDU), Matthias Platzeck (SPD), die Partei Die Linke und viele, viele mehr. Aber die Grünen von heute gehören selten dazu.

 

Bei dieser Lektüre kommt einem der Verdacht einer Projektion auf – das, was man dem Gegner vorwirft, trifft am ehesten für einen selber zu. In Dresden war Wladimir Putin ein KGB-Mann mittleren Ranges. Recht bald danach – schon 1990 - wechselte er in die Dienste des neo-liberalen Bürgermeisters von St. Petersburg, Anatoli Sobtschak. Warum ist das überhaupt von Belang? George Bush Senior und der heutige US-Außenminister Mike Pompeo dienten beide als Oberhäupter der CIA. Es gibt den berühmten Satz des vermeintlichen Evangelikalen Mike Pompeo aus Texas vom 15. April 2019 über seinen Dienst bei der CIA: „Wir logen, wir schummelten, wir klauten.“ Es folgten Applaus und Gelächter. Der spätere sowjetische Staatsoberhaupt Juri Andropow war von 1967 bis 1982 Chef des KGB.

 

Ist Putins Ideologie „kruder“ als die eines Adam Schiff? Hat Putin jemals – siehe Hillary Clinton - das Töten von Staatsführern gefeiert? Gemeint ist der Foltertod von Muammer al-Gaddafi im Oktober 2011. Putin redete - jedenfalls bis vor kurzem - immer wieder von den westlichen „Partnern“.

 

War es in Syrien moralischer, den Diktator al-Assad oder die Dschihadisten zu unterstützen? Meiner Information nach gibt es syrische Demokraten vor allem im westlichen Ausland. Beim Fall Assad haben sich die Türkei, Saudi-Arabien, Israel und die USA stets für die Dschihadisten entschieden.

 

In Anbetracht des anstehenden US-Wahlkampfes ist mit einer erneuten Blütestunde des anti-russischen McCarthyismus zu rechnen. Ein russischer Kapitalist wird nicht weniger verwerflich sein als ein russischer Kommunist. Wie haben sich die Russen doch geirrt, als sie meinten, die Verwerfung des Kommunismus würde zu einer anhaltenden Freundschaft mit dem Westen führen! Am 26.2.2002 warf der bekannte Fox-News-Kommentator Tucker Carlson den Scharfmachern in seinem Lande fehlende Kreativität vor. „Wie wär’s mit einer Verschwörung gegen die USA aus Argentinien oder Malawi?“, meinte er rhetorisch. Wo bleibt bei den maßgebenden Medien die Kreativität? Doch m.E. ist aus Malawi nichts zu erwarten – Kleinstaaten sind den USA natürlich in keinster Weise ebenbürtig.

 

Mögen wir alle uns für das Jahr 2020 warm anziehen. Möge uns möglichst viel Weltfrieden erhalten bleiben. Bei den neuen Raketen mit fünffacher Schallgeschwindigkeit – und dem Wegfall langjähriger Rüstungsabkommen - kann uns vielleicht wirklich nur noch Gott retten.

 

Szenenwechsel

Ende Februar hat ein Gericht die Wiederzulassung des Moskauer Seminars der Baptistenunion als akkreditierte Bildungseinrichtung abgelehnt. Ihm und den meisten anderen evangelischen Bildungsstätten des Landes wird nur noch ein halblegales Wirken übrigbleiben. Ich komme nicht über die Überzeugung hinweg, daß das russische Vorgehen gegen alle nichtstaatlichen – auch säkularen - Bildungseinrichtungen mit der Ost-West-Großwetterlage zusammenhängt. Wird B von A verteufelt, wird das Verhalten von B „teuflerischer“ bzw. negativer. Und evangelische Bildungseinrichtungen in Rußland sind ganz besonders anfällig für das Wetter, denn bis zu 95% derer Finanzierung stammt aus westlichen Quellen.

 

Eine scharfe Kritik, wie sie in „Zeitzeichen“ zu lesen war, empfinden die Betroffenen oftmals als Beleidigung. Genau diese Reaktion war zu erleben, als eine Delegation christlicher Journalisten aus China Moskau aufsuchte und wiederholt nach Verfolgungen im eigenen Lande befragt wurde. Gäste meinen selber zu wissen, wie es zuhause zugeht; darüber wollen sie vom Ausland her nicht belehrt werden. Sie wollen die Mißstände selber anpacken; sie meinen auch, sie wären selber am ehesten dazu imstande. Ein Zitat: Wir „wollen, daß die ausländische Seite zuerst uns kontaktiert. Wir können dann gemeinsamen erfahren, wie am besten der Kirche in China geholfen werden kann.“

 

Dr. phil. William Yoder
Laduschkin/Kaliningrader Gebiet, den 6. März 2020

 

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