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Neue orthodoxe Kirche in Kaliningrad eingeweiht

Die Auferstehungskirche hat einen großen Nachbarn bekommen

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Es ändert sich das Stadtbild von Kaliningrad

 

L a d u s c h k i n -- Nach einer Bauzeit von 13 Jahren fand am 29. November in Kaliningrad der erste Gottesdienst in der „Kirche der Heiligen Kyrill und Method“ statt. Eine Höhe von 56 Metern macht diesen Neubau zur zweithöchsten Kirche der Stadt; sie ist damit 17 Meter kleiner als die 2009 eingeweihte „Christ-Erlöser-Kathedrale“ am Siegesplatz.

 

Bei der Eröffnung am Prospekt Mira 132 leitete der russisch-orthodoxe Erzbischof von Kaliningrad und Baltijsk, Serafim, die Liturgie. Die Kirche gibt an, daß das Kirchenschiff 600 stehende Besucher faßt, doch sieht der Raum eindeutig kleiner als das Kirchenschiff der benachbarten, evangelischen „Erlöserkirche“ aus. Wegen seiner Bestuhlung soll der Hauptsaal der Erlöserkirche nur über 400 Plätze verfügen. Man könnte dennoch feststellen, der Neubau sei schmaler und höher als der evangelische Nachbar. Zum Eröffnungsgottesdienst waren in der Regel etwa 200 Besucher zugegen; bei orthodoxen Gottesdiensten gibt es bekanntlich ein ständiges Kommen und Gehen.

 

Eigentlich verfügt diese neue orthodoxe Glaubensstätte über drei Namen: Eine zweite Kirche unterhalb der Hauptkirche soll den Namen der Heiligen Märtyrerin Mariana tragen. Sie erinnert an eine Familie aus Kaliningrad, die im Oktober 2015 bei einem von Terroristen verursachten Flugzeugabsturz über dem Sinai ums Leben kam. Jener Absturz hatte 224 Tote zu beklagen. Die provisorische Holzkapelle daneben trägt den Namen „Kirche der großen Märtyrerin Katharina“.

 

Siebzig Meter weiter südlich direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite steht die Evangelisch-Lutherische „Auferstehungskirche“ von 1999. Diese Kirche am Prospekt Mira 101 hinterließ an diesem Ersten Advent einen traurigen Eindruck. Sowohl das Haus wie auch das Tor waren verriegelt und menschenleer, über dem Schaukasten am Tor hing ein Zettel mit einem einzigen Wort: „Quarantäne“. Nach acht Monaten ohne Besucherverkehr ist der Gehweg grün geworden – das Gras sprießt zwischen den Steinen hervor. Die von Propst Igor Ronge geleitete Kaliningrader Propstei der „Evangelisch-lutherischen Kirche in Rußland“ ist wohl die einzige regionale Glaubensgemeinschaft Rußlands, die weiterhin das Abhalten von Gottesdiensten untersagt.

 

Kommentar

Man kann die provokante Nähe von 70 Metern auch positiv deuten: Sobald sich das lutherische Tor wieder auftut, werden Besucher zwei Kirchenkulturen in unmittelbarer Nähe miteinander vergleichen können. Ähnliches geschieht im einst evangelischen Dom auf der Dominsel in Kaliningrad: Dieser historische Bau beherbergt sowohl eine orthodoxe wie eine evangelische Kapelle. Es gibt beispielsweise auch den Erfurter Domberg, wo eine evangelische und eine katholische Kirche dicht nebeneinander stehen.

 

Es möchte keiner darauf angesprochen werden, daß die Platzwahl bei diesem Bau eine  Maßnahme mehr gegen eine hypothetisch denkbare Germanisierung ist. In Gussew (Gumbinnen) ist man ähnlich vorgegangen, doch dort steht die 2016 eingeweihte, mächtige orthodoxe Kirche in einer Entfernung von etwa einem Kilometer von der kleinen, altehrwürdigen Salzburger Kirche. Viele ähnliche Beispiele gibt es in Großrußland. Etwas verkürzt hatte ich schon vor sieben Monaten formuliert: „Je stärker der (westliche) Druck, desto höher der Kirchturm.“ Die Bereitschaft zur kulturellen Gegenwehr finde ich theoretisch verständlich. Allerdings stellt die Auferstehungskirche selbst keine Bedrohung dar.

 

Dr. phil. William Yoder
Laduschkin/Kaliningrader Gebiet, den 1. Dezember 2020

 

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