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Der letzte kirchenmennonitische Pastor Sibiriens verstorben

Andrei Peters ist heimgerufen worden

 

Das Foto, aufgenommen vom Verfasser, stammt vom Nowosibirsker Flughafen am 10. Oktober 2006.

 

N o w o s i b i r s k – Nach einer halbjährigen Leidenszeit ist der letzte „kirchenmennonitische“ Pastor Sibiriens am 3. März 2020 seiner Krebserkrankung erlegen. Diese traurige Tatsache wurde erst ein Jahr später außerhalb Sibiriens und Deutschlands bekannt. Obwohl er ohne eine formelle theologische Ausbildung auskommen mußte, interessierte sich Andrei (Heinrich) Wassilowitsch Peters leidenschaftlich für die Fragen des Glaubens und widmete seinem Leben den Pastorendienst. Wegen seines schallenden Lachens bekannt, war Andrei ein lebhafter Sänger sowie ein begabter und aufmerksamer Gesprächspartner.

 

Als einziger Sohn von Willi (Wassili) (1940-2016) und Maria Peters (geb. 1941) kam Andrei am 22. Oktober 1970 in Angarsk nahe Irkutsk zur Welt. Drei Jahre später zogen Willi und Maria mit ihren Kindern nach Berdsk bei Nowosibirsk um. Dort war Maria in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg groß geworden. (Siehe unseren englischsprachigen Nachruf für Willi vom 19. Juli 2018.) Andrei hat zwei Schwestern: Anna Fomenko und Ekaterina (Katja) Peters; die zweite ist weiterhin in Berdsk wohnhaft.

 

Aufgrund der Auswanderungswelle begann Andreis Karriere als kirchlicher Mitarbeiter schon 1988. Zu der Zeit wurde er Chorleiter der Nowosibirsker Mennonitengemeinde, die einst 400 Mitglieder gezählt hatte. Der als Elektriker ausgebildete Willi wurde 1990 zum Hauptpastor der Gemeinde berufen. Als sich der Gesundheitszustand seines Vaters verschlechterte, wurde Andrei als Pastor immer aktiver und wurde im Jahre 2000 schließlich ordiniert. Gerade in dem Jahr stattete Andrei Deutschland seinen einzigen Besuch ab.

 

In seinen aktivsten Arbeitsjahren nach 2000 gründete Andrei die überkonfessionelle Zeitschrift “Put Spasenia” (Weg des Heils), für die er auch als leitender Redakteur fungierte. Die Zeitschrift war durchaus unkonventioneller als deren Name vermuten läßt. Andrei diente damals als Reiseprediger, der auch in abgelegenen lutherischen und baptistischen Gemeinden Gottesdienste durchführte. Später arbeitete er in Nowosibirsk mit einer adventistischen und einer messianisch-jüdischen Gemeinde zusammen.

 

Im Jahre 1992 heirateten Andrei und Elena Pankratz aus dem Dorf Nieudatschino; ihnen wurden bald vier Kinder geboren. Später trennten sich Andrei und seine Frau und er verbrachte die Jahre ab 2005 in einer Wohnung im Nowosibirsker Gemeindehaus. Lena war zuvor zur heimatlichen Scholle in Nieudatschino zurückgekehrt. Im Zuge seiner letzten Erkrankung kam es dann zur Aussöhnung; Andreis Tod und Bestattung fanden in Nieudatschino statt.

 

Seit seinem Ableben ist nahezu die gesamte Sippe Peters – einschließlich der Großmutter Maria - nach Nieudatschino umgezogen, Der Älteste von Andreis drei Söhnen, Jakob, ist Bauer und wohnt in Solntsewka westlich von Omsk. (Nieudatschino befindet sich nahe Tatarsk östlich von Omsk am westlichen Rande der Region Nowosibirsk.)

 

Womit kann die kleine Schar der Kirchlichen Mennoniten Sibiriens in Zukunft rechnen? In den letzten Jahren haben sich die Beziehungen zwischen der Familie Peters und einer unabhängig registrierten Mennoniten-Brüdergemeinde in Solntsewka deutlich verbessert. Diese mehrere hundert Mitglieder zählende Gemeinde wird heute von Andrei Siemens geleitet. Sein ältestes Kind, Lena, ist mit Jakob Peters verheiratet. Siemens leitete auch die Begräbnisfeier für Andrei Peters. Ansonsten bleiben die Kontakte zwischen den viel größeren Mennoniten-Brüdergemeinden in Sibirien und den Kirchlichen Mennoniten in Nieudatschino eher spärlich. Die Gemeinde Solntsewka, die wegen einer Art Allversöhnungslehre kritisiert wird, wurde lange von Philip Friesen geleitet, der 2018 verstarb.

 

Das mennonitische Bethaus in Nowosibirsk wird jetzt von einer messianisch-jüdischen Gruppe genutzt, die schon vor Andreis Tod Gottesdienste gemeinsam mit den Mennoniten abgehalten hatte. Ein paar andere kirchenmennonitische Hausgemeinschaften haben bei den Baptisten eine Heimat gefunden. In der jüngsten Vergangenheit hat Andrei Peters' zweiter Sohn, Abram, Anzeichen einer möglichen Leitungsbegabung gezeigt. Er ist jetzt verheiratet mit zwei Kindern, wohnt in Nieudatschino und arbeitet als Bahnwärter bei den Russischen Eisenbahnen.

 

Der Historiker Peter Epp aus Issilkul sieht keine wirkliche Zukunft für die Bewegung der Kirchlichen Mennoniten in Sibirien. Er merkt an, daß auch die Kirchlichen Mennoniten mit Taufen durch Untertauchen begonnen haben: "Kirchliche Mennoniten sind nicht mehr das, was sie einmal waren." Die letzten wirklichen Unterschiede erkennt Epp bei den rußlanddeutschen Gemeinden in Deutschland. In einigen Fällen haben Mennoniten-Brüdergemeinden dort die Neutaufe von Mitgliedsbewerbern gefordert, die nur besprengt worden waren.

 

Nichtsdestotrotz wird der sehr reale Beitrag von Andrei Peters in diesem Jahrhundert zum Wohle der Kirche unvergessen bleiben. Die Familie Peters hat jene, die in Rußland geblieben sind, nie im Stich gelassen.

 

Dr. phil. William Yoder
Laduschkin, Gebiet Kaliningrad, den 30. April 2021

 

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