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Gespräch mit Rußlands Methodisten-Bischof Khegay

Die "Hungersnot" dauert nicht ewig

 

M o s k a u - Für die „Vereinigte Methodistenkirche“ Rußlands (UMC) sind laut Bischof Dr. Eduard Khegay die sieben fetten Jahre des biblischen Josef vorbei. Die euphorischen Jahre nach 1992 sind nur noch eine ferne Erinnerung. "Unsere Gesamtstatistik geht allmählich zurück", räumte der Bischof kürzlich ein. Vor acht Jahren hatte Khegay noch von 2.400 Mitgliedern in 100 Gemeinden gesprochen, jetzt sind es 80 Gemeinden mit knapp 2.000 Mitgliedern. (Siehe unsere Meldung vom 1. März 2013.) Das "Eurasische Episkopalgebiet", für das er zuständig ist, umfaßt praktisch die gesamte ehemalige Sowjetunion außerhalb der drei baltischen Staaten, die sich historisch und aktuell nach Skandinawien orientieren.

 

Diese Zahlen könnten weiter schrumpfen: Die 14 Gemeinden in der Ukraine erwägen den Austritt. "Es ist schmerzlich für mich, daß die Methodisten in der Ukraine es vorziehen, sich an Westeuropa zu halten", beklagt der Bischof. Er führt diese Vorliebe auf die gegenwärtigen geopolitischen Tendenzen zurück; ihr Austritt aus dem eurasischen Episkopat ist vielleicht nur eine Frage der Zeit.

 

In den letzten 10 Jahren sind drei methodistische Kirchen durch Feuer zerstört worden - Brandstiftung kann nicht ausgeschlossen werden. Die Gemeinde in der Nähe des Moskauer Flughafens Wnukowo, die lange von Walentina Birjukowa geleitet wurde, hatte enge Verbindungen zur "Evangelischen Allianz" in Rußland. Ihr großes, neu errichtetes Kirchengebäude wurde dann durch ein Feuer zerstört; die Gemeinde existiert nicht mehr.

 

Der Besitzanspruch dieser Kirche an ihrer Bürozentrale und ihrem Seminar in der Chamownitscheski-Straße 24 im Südwesten Moskaus ist vor Gericht bestritten worden. Das Anwesen wird jedoch in kirchlicher Hand bleiben, es sei denn, ein künftiges Urteil werde anderes ausfallen.

 

Eine Reihe von Gemeindeleitern sind ihrer geistlichen Berufung nicht mehr gerecht geworden. In den ersten Jahren des kirchlichen Gedeihens wurden viele Immobilien, die mit westlichen Geldern für die Nutzung als Kirchengebäude gekauft wurden, als Privateigentum registriert. Das war ein bequemer Weg, die bürokratischen Hürden zu umgehen. Doch mit der Zeit begannen die offiziellen Eigentümer, die Immobilien tatsächlich als ihr eigenes Eigentum zu betrachten. Am Ende verkauften sie die Immobilie ganz legal, steckten den Gewinn ein und verabschiedeten sich von der Kirche.

 

Mein Kommentar: Ältere russische protestantische Konfessionen wie die Lutheraner, Mennoniten und Baptisten etablierten sich durch organisches Wachstum im Laufe von Jahrzehnten oder Jahrhunderten. Die neuen Gesichter nach 1990 waren eher künstlich entstanden und verdankten ihre plötzliche Existenz dem Zufluß ausländischer Investitionen in Kapital und Personal. Als diese beiden Quellen versiegten, verschwanden auch bedeutende Teile der neuen Konfessionen. (Methodistische Gemeinden gibt es in Kern-Rußland mit Unterbrechungen seit 1882).

 

Und nicht zuletzt: Die nächste Weltversammlung der UMC soll im September 2022 in Minneapolis/USA stattfinden. Es wird erwartet, daß sich die UMC dann in zwei oder drei getrennte Denominationen aufspaltet. Sollte es tatsächlich dazu kommen, will sich das "Eurasische Episkopalgebiet" einer geplanten, eher konservativen "Globalen Methodistenkirche" anschließen. Khegay merkt an, daß beim letzten Weltkongreß 2019 die Disziplinarvorschriften in Bezug auf die Sexualität angezogen worden sind. Dennoch "haben einige Pastoren und Gemeinden vorsätzlich gegen die Vorgaben gestoßen und Homosexuelle geheiratet oder ordiniert". Er fügt hinzu: "Ich wollte nicht Partei ergreifen, denn das Thema Homosexualität stellt sich bei uns in Eurasien nicht. Es ist nicht unser Kampf."

 

Die Trennung soll einvernehmlich erfolgen. Der Bischof beschreibt seine Position wie folgt: "Laßt uns übereinkommen, daß Ihr eine liberale Sichtweise habt und wir eine konservative. Aber laßt uns als Freunde auseinandergehen." Einige größere US-Gemeinden werden die UMC wahrscheinlich verlassen, die konservativeren befinden sich aber eher in Osteuropa, Asien und Afrika.

 

Hoffnungsvolle Zeichen

Glücklicherweise zeigt eine Gemeinde selten ausschließlich negative Tendenzen. Die Gemeinden in Satka bei Tscheljabinsk im Ural und "Raduga" (Regenbogen) in Moskau sind derzeit für ihre lebendige und erfolgreiche Gemeindearbeit bekannt. Südkoreaner haben den Bau einer noch nicht eingeweihten methodistischen Kapelle in Wladiwostok finanziert. Der Bischof ist optimistisch, daß drei methodistische Gemeinden in dieser Gegend sowie solche in Chabarowsk und Komsomolsk-na-Amure zu Symbolen einer wachsenden methodistischen Präsenz in Russisch-Fernost werden.

 

Koreanische Gläubige neigen dazu, recht unabhänging von anderen christlichen Gruppen zu agieren, jedoch hat sich die koreanisch-russische Zusammenarbeit in einer Moskauer Gemeinde bewährt. Khegay beabsichtigt, ein neues, von Korea gesponsertes Seminar in Bischkek, der Hauptstadt des stark muslimisch-geprägten Kirgisistan, zu kontaktieren.

 

Das kleine, staatlich nicht akkreditierte Seminar in der eurasischen Zentrale in Moskau hat sich erfolgreich an die aktuelle Pandemie angepaßt. Der meiste Unterricht findet on-line statt, was einem größeren Personenkreis die Teilnahme ermöglicht. Es hat sich über die reine Ausbildung von Pastoren hinausgedehnt und bildet auch interessierte Laienmitarbeiter aus.

 

Eduard Khegay kümmert sich sehr um die Jugend. Zum einen sind die Jugendleiter von vor 30 Jahren nicht mehr jung. "Wir müssen offen sein für die Jugend", betont er. "Wir haben jetzt eine neue Generation von Menschen, die die kommunistische Ära nicht kennen. Sie sind anders verdrahtet als wir: frei, kreativ und weitgehend westlich in ihrem Denken und ihrer Orientierung. Sie brauchen die Freiheit, zu experimentieren, zu bestimmen und sich einzubringen."

 

Ein Ende der derzeitigen "sieben (relativen) Hungerjahre" sieht der Bischof allerdings noch nicht: "Die Situation z.B. bei der Religionsfreiheit wird nicht besser." Es werden die Jugend und der Glaube der Gemeindemitglieder sein müssen, die die Kirche durch die nahe Zukunft bringen.

 

Der 1970 geborene Khegay wurde 2013 zum Bischof ernannt. Die Verfassung der UMC sieht vor, daß er spätestens 2025 abtreten muß.

 

Dr. phil. William Yoder
Berlin, den 7. Mai 2021

 

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