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Der Ukraine-Krieg war hochgradig provoziert

Anmerkung des Verfassers:

 

Eine christliche Zeitschrift in der Schweiz - ich bin mir nicht einmal sicher, wie sie heißt! - hat mich im vergangenen Juni um einen Artikel gebeten, der eine gegenteilige Meinung vertritt. Offenbar waren meine Ansichten "zu alternativ": Sie verlangten, daß ich nach fast jedem Satz eine Fußnote einfüge. Ich hielt dies für einen unangemessenen Aufwand und schlug stattdessen vor, dem Artikel eine Liste von etwa 30 westlichen Spezialisten zu diesem Thema beizufügen, die ich als meine eigenen Quellen verwende. Interessierte könnten dann ihre eigenen Nachforschungen anstellen. Sie sagten: "Nein, danke".

 

Deshalb veröffentliche ich den Artikel hier in einer etwas längeren Form. Er enthält nichts Neues oder Unbekanntes, aber vielleicht kann er dem einen oder anderen als Auffrischung dienen. Alle Personen auf dieser Liste sind Westler, oder zumindest Personen, die im Westen leben und arbeiten; sie enthält niemanden von der extremen Rechten. Alle können auf Youtube oder Google gefunden werden.

 

Die Liste:

Antiwar.com, Medea Benjamin, Brian Berletic (in Thailand), Max Blumenthal, Robert Bridges, Tucker Carlson, Glenn Diesen, Gilbert Doktorow, Jimmy Dore (Vorsicht, vulgär), Daniel Dumbrill (in China), Glen Greenwald, Chris Hedges, Seymour Hersh, Gerald Horne, Larry Johnson, Caitlin Johnstone, Robert Kennedy Jr, Douglas Macgregor, Aaron Mate, Alexander Mercouris, John Mersheimer, Ralph Nader, Andrew Napolitano, Garland Nixon, Ron Paul, Nicolai Petro, Scott Ritter, Jeffrey Sachs, Richard Sakwa, Ted Snider, Jill Stein, Cornel West, Larry Wilkerson, die verstorbenen Stephen Cohen und Robert Parry, und viele, viele mehr

 

In deutscher Sprache, z.B.: 

Sevim Dagdelen, Daniela Dahn, Eugen Drewermann, Ulrich Heyden, Andrej Hunko, Gabriele Krone-Schmalze, Reinhard Lauterbach, Gerhard Schröder, Sahra Wagenknecht

 

Möge Weihnachten 2024 ein friedliches Fest werden!

 

--wy

 

 

Der Ukraine-Krieg war hochgradig provoziert

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Eine Perspektive aus dem alternativen Westen

 

L a d u s c h k i n -- Warum gehen die Russen die Wände hoch, wenn sie die Beteuerungen hören, der russische Angriff vom 24. Februar 2022 sei "unprovoziert und ungerechtfertigt" gewesen? In den Tagen unmittelbar davor hatte der ukrainische Beschuß der Stadt Donezk dramatisch zugenommen. Der Kreml hatte sieben Jahre - und fast 14.000 Tote später - darauf gewartet, daß die Minsk-II-Vereinbarungen vom Februar 2015 umgesetzt werden. Die Minsker Vereinbarungen wurden von denen, die sie unterzeichnet hatten, hintertrieben. Emmanuel Macron, Angela Merkel und Petro Poroschenko haben inzwischen eingeräumt, daß Minsk II im Wesentlichen ein Täuschungsmanöver war, um Zeit für die Wiederaufrüstung der Ukraine zu gewinnen.

 

Darüber hinaus wurde der am 17. Dezember 2021 veröffentlichte russische Vorschlag für gegenseitige Sicherheitsgarantien ignoriert. Fünf Tage vor dem russischen Einmarsch drohte Wolodymyr Selenski mit einer atomaren Bewaffnung der Ukraine.

 

Der von den USA inspirierte Putsch in Kiew im Februar 2014 war eine tiefgreifende Provokation, die das äußerst empfindliche Gleichgewicht zwischen pro-westlichen und pro-russischen Kräften in der Ukraine zerstörte. Russland hatte spätestens seit 1990 für einen gemeinsamen Sicherheitsschirm für ganz Europa plädiert - die Antwort war der Vormarsch der NATO nach Osten.

 

Bitter, aber wahr: Die deutsche Wiedervereinigung beruht auf Täuschung. Die westlichen Verhandlungsführer hatten 1990 mehrfach mündlich zugesichert, daß sich die NATO nicht "einen Zentimeter nach Osten" über die Grenzen Deutschlands hinaus ausweiten würde. Eine solche Zusicherung wurde jedoch nie unterzeichnet. Diese Lüge ist also nur eine Unwahrheit im moralischen Sinne, eine Lüge "nur" in den Augen Gottes. Sie ist vor dem Gesetz nicht strafbar.

 

Ein Vierteljahrhundert lang hatten westliche Akademiker davor gewarnt, daß der Vormarsch der NATO nach Osten mit der Zeit eine äußerst negative Reaktion Russlands hervorrufen würde. In der "New York Times" vom 5. Februar 1997 hatte der legendäre US-Diplomat George Kennan gewarnt, daß "die Erweiterung der NATO der verhängnisvollste Fehler der amerikanischen Politik in der gesamten Nachkriegszeit sein würde".

 

William Burns, der damalige US-Botschafter in Moskau, hatte in einem Memo vom Februar 2008 davor gewarnt, daß Russland in den Donbass einmarschieren würde, wenn der Westen die Ukraine in die NATO aufnimmt. John Mearsheimer von der University of Chicago behauptete 2014, daß die Einbindung der Ukraine in das westliche Sicherheitsnetz zu ihrem Ruin führen würde.

 

In gewisser Weise ist dies eine Wiederholung der Kuba-Krise von 1962. Doch dieses Mal gibt es noch keinen JFK, der in den sauren Apfel beißt und nachgibt. (Damals zogen die USA in aller Stille ihre Atomwaffen aus der Türkei ab.) Jetzt verlangt der Westen, daß Russland schluckt, was die USA niemals akzeptieren würden: Russische Panzer, die in Windsor/Ontario kampieren oder bis zur US-Grenze bei San Diego vordringen. China könnte in Kuba einen Stützpunkt einrichten, der die langfristige US-Präsenz in Taiwan widerspiegelt. Die Souveränität der Nationen zu respektieren, ist eine gute Sache, aber die USA haben seit 1823 ihre Monroe-Doktrin durchgesetzt und sind daher nicht in der Lage, andere zu belehren. Die USA fordern von der NATO eine Politik der offenen Tür für die osteuropäischen Staaten, aber das Tor Richtung Amerika ist seit zwei Jahrhunderten geschlossen.

 

Stellvertreterkriege sind eine abscheuliche Angelegenheit. Bei einer Anhörung zur Amtsenthebung von Trump am 23. Januar 2020 versicherte der kalifornische Demokrat Adam Schiff: "Die Vereinigten Staaten unterstützen die Ukraine und ihr Volk, damit wir Russland dort drüben bekämpfen können und nicht hier." Es ist kein Zufall, daß die USA rund 800 Militärbasen außerhalb ihrer eigenen Grenzen haben und nur dort Krieg führen wollen. Es sollte eigentlich nicht so enden, aber jetzt sterben Ukrainer in der Hoffnung, die Chancen der Demokraten bei den US-Präsidentschaftswahlen im November 2024 zu verbessern.

 

Abscheuliche Äußerungen von Senator Lindsay Graham und anderen stellen fest, daß der Krieg äußerst effektiv und preiswert war: Mit 3 % ihres Militärbudgets haben die USA vermeintlich die Hälfte der militärischen Ressourcen Russlands zerstört. Wenn man dabei die Hunderttausenden von toten Ukrainern aus der Gleichung wegläßt, wäre das tatsächlich ein sehr gutes Ergebnis.

 

Das Entfachen eines Krieges, sei es 2014 oder 2022, ist nicht die einzige moralische Frage. Auch die unnötige Verlängerung des Krieges ist eine wichtige Frage. Auch Kiewer Politiker stellen fest, daß es Boris Johnsons eiligen Flug nach Kiew Anfang April 2022 bedurfte, um die bei den russisch-ukrainischen Verhandlungen in Istanbul erzielte Übereinkunft wieder rückgängig zu machen.

 

Russland hat den Popularitätswettbewerb im politischen Westen eindeutig verloren. Es gibt Hunderte von Artikeln, die über die professionellen Desinformationskampagnen des Westens berichten. Hat Russland tatsächlich seine eigene 12 Milliarden Dollar teure Pipeline in die Luft gesprengt? Die Russen hätten die Gaslieferungen einfach durch das Schließen des Ventils stoppen können.

 

Der Begriff "brutaler Krieg" ist Propaganda, eine Tautologie, denn es gibt keine "unbrutalen" Kriege. Erinnern Sie sich an den Begriff "shock and awe" aus dem Jahr 2003 im Zusammenhang mit der Invasion des Irak. Die Andeutung, daß Slawen eben brutal sind, ist hier präsent - wir kennen das ja von früher.

 

Ich persönlich lese und verlasse mich hauptsächlich auf linke und konservative alternative Medien in den USA und im Vereinigten Königreich. Die politische Linke hat die Auslandskriege der USA mindestens seit Korea richtig interpretiert und ich sehe keinen Grund, warum sie sich diesmal irren sollte.

 

Lösungen

Diese globale Krise wird erst dann abklingen, wenn die US-Außenpolitik die Existenz einer multipolaren Welt akzeptiert und z.B. die unipolare Wolfowitz-Doktrin von 1992 ablehnt. Solange die USA das Auftreten neuer Supermächte nicht tolerieren können, wird es keinen Frieden geben. Regionalmächte (Deutschland und Großbritannien) geben sich damit zufrieden, gegenüber einer Supermacht die zweite Geige zu spielen. Für bestimmte Großmächte oder alte Mächte (Iran) gilt dies jedoch nicht. Ein friedlicher wirtschaftlicher Wettbewerb in einer multipolaren Welt ist von nun an die einzig mögliche globale Option.

 

Im Jahr 2015 habe sogar ich gefordert, daß die Ukraine zu 1/3 bis 2/3 geteilt werden sollte, wobei das östliche Drittel an die Anhänger Russlands gehen sollte. Ich fügte hinzu, daß die Aufteilung von Ländern nie schön ist, aber viel leichter zu ertragen als ein Krieg. Jetzt sind wir mit dem schlimmsten Szenario konfrontiert: der Teilung nach dem Krieg.

 

In dem Irrglauben, die nationale Einheit zu unterstützen, unterzeichneten die ukrainischen Baptisten- und Pfingstvereinigungen am 3. Juli 2012 eine Erklärung, in der sie gegen den Versuch protestierten, in bestimmten Regionen der Ukraine Russisch als zweite Amtssprache einzuführen. Sie spiegelten die "monistische" Sichtweise der Westukraine wider, wie sie der britische Historiker Richard Sakwa beschreibt. Er schrieb 2018, daß nur eine pluralistische, mehrsprachige und föderative Struktur die Einheit der Ukraine als Staat bewahren könne.

 

Das Mindeste, was wir tun können, ist dazu beizutragen, den Haß4 zu stoppen, vor allem in unseren eigenen Kreisen. Letztendlich kann nur ein Abklingen des Hasses zu Verhandlungen führen. Ich war schockiert, als ich im Januar 2010 zum ersten Mal bemerkte, daß Wladimir Putin auf den Titelseiten westlicher Zeitschriften mit Hörnern oder einem dicken, schmalen Schnurrbart auftauchte. Aber das war der Beginn einer ernsthaften, tödlichen Kampagne auf dem Wege in den Krieg.

 

Die Minsker Vereinbarungen sahen vor allem vor, daß die Ukraine militärisch blockfrei und in ihren staatlichen Strukturen föderativ sein sollte. Es wäre nicht zu beklagen gewesen, wenn die Ukraine zu einem solchen unverbündeten, neutralen Staat geworden wäre. Möge die Ukraine noch die Chance haben, ein Österreich oder eine Schweiz zu werden, oder das, was  das friedliche Finnland einmal war.

 

Doch nun ist es die Hauptsache, daß der Friede bald eintritt. Die Schuldfrage ist zweitrangig.

 

William Yoder, Ph.D.

Laduschkin, Kaliningrader Gebiet, 22. Dezember 2023

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