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Die Kaliningrader Baptisten haben einen neuen Leitenden Pastor

Die Baptisten Kaliningrads befinden sich im Aufwind

 

L a d u s c h k i n -- Die Baptisten Kaliningrads befinden sich im Aufwind. In diesem Sinne äußerte sich Nikolai Wladimirowitsch Kasakow, seit März 2024 Leitender Pastor der dortigen „Friedenskirche“. Mit rund 300 erwachsenen Besuchern und 200 Kindern bleibt diese Gemeinde in der Uliza Gagarina 18 mit Abstand die größte Baptistengemeinde in der Exklave. In einem Interview Ende März stellte der Pastor fest: „Es kehren viele, viele (Aussiedler) nach Rußland zurück – und nicht nur Baptisten.“ Als Fachmann für den Gasanschluß neuer Wohnungen hatte er ohne genaue Zahlen schon 2018 erlebt, daß eine sehr bedeutende Anzahl dieser Wohnungen von Menschen aus Deutschland aufgekauft werden. Über protestantische Familien erläuterte er: „Diese Familien haben Angst, ihre Kinder zu verlieren. In den Schulen werden Kinder zum Umdenken genötigt; die aufgekommene Genderfrage bleibt uns fremd.“ In ihm bekannten Fällen sind Familien aus Angst überstürzt nach Rußland geflohen. Fazit des Verfassers: Abgesehen von militanten „Sekten“, werden eher in Rußland die religiösen Minderheiten in Ruhe gelassen.

 

Der Pastor räumte ein, daß nicht wenige Rückkehrer weiterhin über eine doppelte Staatsbürgerschaft verfügen bzw. bemüht sind, einen zusätzlichen, russischen Paß zu bekommen. Mein Kommentar: Im Gebiet Kaliningrad handelt es sich oftmals um eine Zweitwohnung. Wer völlig auf die deutsche Staatsbürgerschaft verzichtet, läuft Gefahr, auf die Segnungen des deutschen Sozialstaates verzichten zu müssen. Für manche ist deshalb das Pendeln angesagt. Kasakow kennt aber auch eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau, die sich nach einem Vierteljahrhundert in Deutschland vor allem wegen der Genderfrage für die Rückkehr nach Rußland entschied.

 

Für Nikolai Wladimirowitsch ist die Freundschaft zwischen Russen und Ukrainern selbstverständlich. Obwohl beide in Kirgisien geboren sind, gilt der Pastor als „reiner“ Russe, seine Frau, Oksana, als „reine“ Ukrainern. Daß das ein Problem sein soll, ist den beiden noch nicht in den Sinn gekommen. Als Baptist klassischer Überzeugung gibt sich der Pastor für eine Parteinahme in der gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzung nicht her: „Die Politik ist nicht unsere Sache. Möge sich der Staat mit den staatlichen Dingen befassen. Es ist unsere Aufgabe, für den Frieden zu beten. Unsere Politik ist das Gebet.“ Wer außer uns Gläubigen nimmt den Auftrag des Betens wirklich ernst? Er fügt jedoch hinzu: „Alle leiden daran. Wir erstreben den Frieden, wir wollen, daß alles möglich schnell aufhört. Wir erleben den Schmerz der Entzweiung. Hüben wie drüben leiden die Menschen.“

 

Auch im kirchlichen Bereich ist Kasakow um den Frieden bemüht. Trotz kleiner theologischer Unterschiede beschreibt er die Beziehungen zu den nichtregistrierten Baptisten in der Uliza Deschnewa 18 als herzlich. Da in Kaliningrad nur die nichtregistrierten Baptisten – genannt „Rat der Kirchen“ auf Russisch – über ein Zentrum für Suchtkranke verfügen, hat die Gemeinde in der Gagarina kürzlich einen jungen Mann an dieses Zentrum überwiesen. Pastor Kasakow gefällt die bibelbezogene Reha-Arbeit der „Nichtregistrierten“.

 

Die Gemeinde versteht etwas von der Gastfreundschaft. Obwohl sie über Gasträume auf ihrem Gelände verfügt, wurden sie bei einer Jugendkonferenz Ende März 2025 mit 150 Teilnehmern nicht benötigt. Alle Gäste konnten privat untergebracht werden.

 

Verkündigungsmöglichkeiten bestehen weiterhin, beispielsweise durften kürzlich Tafeln über den Glauben in einem örtlichen Einkaufszentrum aufgestellt werden. Gerade in den letzten Wochen hat die Gemeinde ein neues Musikensemble ins Leben gerufen.

 

Welche Träume hegt noch der Leitende Pastor? „Wir wollen das Reich Gottes vergrößern und Menschen mit dem Wort Gottes vertraut machen. Das Wort Gottes muß wieder als höchste Autorität anerkennt werden. Tradition und Politik lenken uns ab.“ Die Jugend sucht Erlebnisse, sie wird u.a. von Smartfons betört. „Gebet und das Wort geraten in die zweite Reihe. Wir müssen zum Eigentlichen zurückkehren.“

 

Biographisches

Nikolai Kasakow ist in keiner frommen Familie aufgewachsen. Geboren 1975, wuchs er gemeinsam mit 10 Geschwistern in der südkirgisischen Stadt Kadamschai auf. Erst 1997 bekehrte er sich; die Krebserkrankung einer Schwester hatte die gesamte Familie viel näher an den Glauben herangeführt. Diese Schwester ist dann 2007 verstorben. Nach seinem Umzug in die Hauptstadt Bischkek haben Oksana und er 1999 geheiratet. Ein Jahr später wurde dem Paar eine Tochter geschenkt, die heute mit ihrem Ehemann in Kirgisien wohnt. Im Jahr 2007 wurde Nikolai in Bischkek zum Diakon ordiniert, 2011 zum Pastor. Ein Jahr später zog die Kleinfamilie nach Kaliningrad um. Am neuen Ort begann er umgehend als Hilfspastor.

 

Der Leitende Pastor ist ein gelernter Schweißer; bis 2024 arbeitet als ein solcher und als Fenstersetzer in Kaliningrad. Nun kann er als vollamtlicher Pastor ohne weltlichen Posten überwiegend im Fernstudium einem Studium am Moskauer Theologieseminar der Baptisten nachgehen. Bis dahin war er Schüler an der nach wie vor existierenden Bibelschule der Friedenskirche.

 

Der 1946 geborene, aus dem Raum Schitomir/Ukraine stammende Anatoli Krikun war von 1996 bis 2024 Leitender Pastor dieser Gemeinde. Unter seiner Regie wurde mit deutscher Hilfe u.a. die Friedenskirche im Jahre 1998 fertiggestellt. Krikun ist weiterhin Leitender Pastor für das Gesamtgebiet.

 

Die „Russische Union der Evangeliumschristen-Baptisten (RUECB) verfügt über vier weitere kleine Gemeinden im Gebiet Kaliningrad. Für genauere Mitgliederzahlen schauen Sie sich unseren Aufsatz von 2020 an: „www.wyoder.de/2020/02/14/kaliningrader-baptisten“.

 

Dr.phil. William Yoder

Laduschkin, Kaliningrader Gebiet, 18. April 2025

 

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